Staatsanwalt nennt Fernsehinterview "unverantwortlich" Entführungsopfer Stephanie im TV: "Allergrößte Angst" vor dem Täter

Hamburg (rpo). Nach dem Entführungsopfer Natascha Kampusch hat sich jetzt auch die 14-jährige Stephanie aus Dresden einem Fernsehinterview ausgesetzt. Die Schülerin war fünf Wochen lang in der Gewalt eines Sexualverbrechers gewesen. Sie erklärte, sie wolle öffentlich zeigen, dass sie "nicht gebrochen" sei. Die Staatsanwaltschaft nannte das Interview "unverantwortlich".

Fünf Wochen lang war Stephanie, damals noch 13 Jahre alt, in der Hand des 35-jährigen, vorbestraften Sexualverbrechers Mario M. gewesen. Sieben Monate nach ihrer Befreiung setzte sie sich in der ZDF-Sendung "Johannes B. Kerner" der Öffentlichkeit aus.

Beim Interview wurde das Gesicht des Mädchens nicht gezeigt. Stephanie erklärte, sie wolle dem Täter zeigen, "dass er meinen Kern nicht berührt hat, also dass ich nicht gebrochen worden bin".

Reden über größte Ängste

Sie sprach über die Ängste, die sich in sie hinein gefressen haben: "Außerdem will ich, dass er lebenslänglich hinter Gitter kommt und nicht irgendwie in die Psychiatrie, weil er mir gedroht hat, dass man da leichter ausbrechen kann als aus dem Gefängnis", sagte sie.

Es sei ihre größte Angst, ihren Peiniger wieder sehen zu müssen, bestätigte sie auf die Frage des Moderators Kerner: "Ja. Die Allergrößte." Und auf den Selbstmord des Entführers von Natascha Kampusch aus Wien angesprochen, sagte sie: "Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir gewünscht, dass das bei mir so gewesen wäre, weil: Dann bräuchte ich keine Angst mehr um meine Zukunft haben."

Sie erzählte, wie der Täter habe sie immer in eine Kiste gesperrt habe, wenn er zwei Mal in der Woche einkaufen gefahren sei. Er habe ihr eine Socke in den Mund gesteckt und Pflaster darüber geklebt, so dass sie kaum atmen konnte: "Es gab manchmal so Situationen, wo ich dann am ganzen Körper gezittert hab' oder so. Und ich dann nur noch gehofft habe, dass er wiederkommt und ich dann aus der Kiste 'rauskomme."

Schließlich betonte sie, dass sie sich jetzt "eigentlich ganz okay fühle". "Ich sitze ja jetzt nicht in der Ecke und heule die ganze Zeit 'rum, sondern ich kann wieder mit meiner Familie und Freunden lachen", sagte sie.

Staatsanwalt nennt Interview "unverantwortlich"

Für die Staatsanwaltschaft ist das Fernsehinterview mit dem Entführungsopfer ein schwerer Fehler. "Wir haben zahlreiche Details dieses Falls bewusst nicht an die Öffentlichkeit gebracht, sondern zum Schutz des Opfers zurückgehalten", sagte der Dresdner Staatsanwalt Christian Avenarius der "Leipziger Volkszeitung". Dass die Entführung und der Missbrauch jetzt in vielen Details nachvollzogen werde könne, finde er einfach "unverantwortlich".

Generell wird es Sexualstraftätern zu Gute gehalten, wenn sie ihrem Opfer mit einem Geständnis eine Aussage vor Gericht ersparen. Dies sei in diesem Fall nicht möglich, sagte Avenarius. Das zusammengetragene Beweismaterial reiche "locker" aus, um den Mann zu einer langen Haftstrafe zu verurteilen. Von der Staatsanwaltschaft soll Stephanie kein zweites Mal vernommen werden.

Mario M. hatte das Mädchen am 11. Januar dieses Jahres auf dem Weg zur Schule entführt und in seiner Wohnung im Dresdner Stadtteil Striesen gefangen gehalten - nur wenige hundert Meter entfernt vom elterlichen Wohnhaus von Stephanie.

Sie schrieb heimlich Zettel mit Hilferufen, die sie aus ihrer Gefangenschaft heraus schmuggelte. Einen fand ein 31-jähriger Dresdner am 15. Februar an einem Müllcontainer. Die Polizei befreite daraufhin das Mädchen.

(ap)
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