Wächterpreis-Verleihung Publizist Wolffsohn wirft deutschen Medien selbstgerechte Bevormundung vor

Düsseldorf · Viele Redaktionen seien einseitig geprägt und manche Journalisten würden sich anmaßen, ihre Meinung für die einzig richtige zu halten: Michael Wolffsohn sollte bei der Verleihung eines wichtigen Medienpreises die Festrede halten. Es wurde eine Brandrede daraus.

 Ein Stapel Tageszeitungen (Symbolfoto).

Ein Stapel Tageszeitungen (Symbolfoto).

Foto: dpa/Sven Hoppe

Bei der Verleihung des Wächterpreises der Tagespresse, einer der ältesten deutschen Auszeichnungen für Journalisten, hat der Publizist und Historiker Michael Wolffsohn den Medien eine meinungsgetriebene Bevormundung vorgeworfen. „Meine Festrede ist eine Brandrede, ihr Antrieb ist jedoch meine tiefe Verbundenheit mit und meine Sucht auf das Medium Zeitung“, sagte Wolffsohn bei der Veranstaltung, die am Freitag in Düsseldorf gestreamt wurde. Im vergangenen Jahr fiel die Preisverleihung wegen Corona aus, diesmal fand sie nur virtuell statt. Im nächsten Jahr sollen die Preise wieder wie gewohnt im Rathaus von Frankfurt am Main, dem historischen Römer, verliehen werden.

„Selbst im Qualitätsjournalismus maßen sich manche nicht selten an, ihre persönliche Darstellung, Analyse und erst recht ihre eigene Meinung für die einzig richtige zu halten. Auch ohne ausreichende Recherchen ist dabei der Wunsch der Vater der Fakten, die eben keine Fakten sind. Mal willentlich, mal nicht“, sagte Wolffsohn. Viele Redaktionen seien einseitig geprägt. „Umfragen dokumentieren seit Jahren die grün-rote Hegemonie unter Journalisten. Egal, ob gut oder schlecht, in der Gesamtgesellschaft kann von der grün-roten Hegemonie keine Rede sein.“

 Michael Wolffsohn (Archiv).

Michael Wolffsohn (Archiv).

Foto: dpa

Weite Teile der Öffentlichkeit empfänden die „oft emotionalisierte, ideologisierte, selbstgerechte“ Presse als uniform. Ein Beispiel sei die Berichterstattung dieser Tage über die vermeintlich anti-israelischen Proteste in Deutschland, bei denen es sich aber um antisemitische Demonstrationen von Muslimen gehandelt habe. „Sieht deutscher Qualitätsjournalismus so aus? Dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und was nicht sein darf, darf nicht berichtet werden? Um das zu erleben, sind weder meine väterlichen Großeltern noch meine Eltern oder ich aus Israel nach Deutschland zurückgekehrt“, sagte der langjährige Professor der Bundeswehr-Universität in München. Auf Dauer könne das nicht gutgehen, wie sich auch in den sozialen Medien zeige. „Der Un- und Schwachsinn“ grassiere dort auch, weil die Allgemeinheit die Bevormundung satthabe.

Der Jury-Vorsitzende Moritz Döbler, Chefredakteur der Rheinischen Post, dankte Wolffsohn für seine kritische Rede. Wächterpreise wurden für drei journalistische Arbeiten verliehen. Den ersten Preis, dotiert mit 10.000 Euro, erhielten Birgit Emnet, Olaf Streubig und André Domes vom „Wiesbadener Kurier“ für ihre Berichterstattung über Missstände bei der Arbeiterwohlfahrt. Der zweite Preis (6000 Euro) ging an Christian Parth und Axel Spilcker vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ für eine Artikelserie über Clans in NRW, der dritte Preis (4000 Euro) an Georg Haschnik von der „Frankfurter Rundschau“ für die Recherchen zu einem Mordfall. Der Wächterpreis wird seit 1969 von der Stiftung „Freiheit der Presse“ verliehen.

Für Wolffsohn sind Auszeichnungen wie der Wächterpreis ein Mittel der Selbstkontrolle der Presse, das aber nicht ausreiche. Die sogenannte vierte Gewalt sei – anders als Legislative, Exekutive und Judikative – keiner Kontrolle unterworfen. „Ohne jedwede Zensur müssen Wege gefunden werden, wie diese Lücke im System unserer Gewaltenteilung geschlossen werden kann. Zum Wohle aller, auch des Rechts- und Medienwesens“, sagte Wolffsohn.

(RP)
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