Ein Jahr nach Wende im Fall Maddie Deutscher Verdächtiger wurde bisher nicht mit Vorwürfen konfrontiert

Braunschweig · Ein Zeugenaufruf im Fall Maddie rückte vor einem Jahr einen deutschen Verdächtigen in den Fokus. Neue Ermittlungen nährten die Hoffnung auf eine Aufklärung des Schicksals der Britin. Doch die bleibt ungewiss.

 Blumen stehen vor einem Bild, das die verschwundenen Madeleine McCann (Maddie) auf einem Foto zeigt, das ihre Eltern im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Kindes veröffentlich haben.

Blumen stehen vor einem Bild, das die verschwundenen Madeleine McCann (Maddie) auf einem Foto zeigt, das ihre Eltern im Zusammenhang mit dem Verschwinden des Kindes veröffentlich haben.

Foto: dpa/Luis Forra

Am 12. Mai sollte ihr 18. Geburtstag gefeiert werden. Aber Maddie ist nicht da – sie ist nicht bei ihren Eltern und der Familie in Großbritannien. Madeleine McCann ist seit 14 Jahren verschwunden, das ungeklärte Schicksal des Mädchens sorgt bis heute für Schlagzeilen. Als Ermittler vor einem Jahr überraschend bekanntgaben, dass ein Deutscher unter Mordverdacht steht, keimte zumindest Hoffnung auf späte Gewissheit.

Es war eine spektakuläre Wendung, als Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA), der Metropolitan Police in Großbritannien und der Polícia Judiciária in Portugal am Abend des 3. Juni 2020 über die Medien um Mithilfe der Bevölkerung baten. Sie gaben bekannt, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen mehrfach vorbestraften Sexualverbrecher handele, der sich wegen einer anderen Tat in Haft befinde.

Mittlerweile sitzt der 44-jährige Mann wegen einer Vergewaltigung in einem niedersächsischen Gefängnis, wurde aber bisher nicht mit Vorwürfen im Fall Maddie konfrontiert. „Nein, der Beschuldigte ist bislang nicht vernommen worden“, sagte der Braunschweiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters Ende Mai der Deutschen Presse-Agentur. Die Strafverfolgungsbehörde ist für den Fall zuständig, weil der Verdächtige seinen letzten deutschen Wohnsitz in der niedersächsischen Stadt hatte.

Am 3. Mai 2007 war die damals dreijährige Madeleine McCann aus einer Apartment-Anlage im portugiesischen Praia da Luz verschwunden. Seitdem fehlt von ihr jede Spur.

Seit der Veröffentlichung zu dem Verdächtigen stellte das enorme Interesse an dem Fall alles in den Schatten, um das sich die Braunschweiger Staatsanwaltschaft bisher zu kümmern hatte, wie Behördensprecher Wolters häufig betonte. Über das frühere Leben des Verdächtigen und seine Straftaten wird seit Juni 2020 ausführlich berichtet. Wesentliche Erkenntnisse zum Fall Maddie blieben aber bisher aus.

Ein Durchbruch in den Ermittlungen ist kurzfristig auch nicht in Sicht. Diese werden laut Staatsanwalt Wolters sicher noch einige Monate in Anspruch nehmen, möglicherweise auch bis ins nächste Jahr oder darüber hinaus gehen. Es sei nicht ungewöhnlich, wenn die Vernehmung eines Beschuldigten – wie in diesem Fall – an das Ende der Ermittlungen gestellt werde, betonte Wolters, der zuletzt regelmäßig Informationen zu dem Fall als Spekulation oder schlicht falsch zurückgewiesen hat.

Beispiel: ein Bericht vor wenigen Tagen, nach dem die Ermittler von einer Tötung der kleinen Maddie in Portugal ausgehen und nicht mehr von einer Verschleppung nach Deutschland. „Zu den konkreten Umständen ihres Todes haben wir bislang keine Angaben gemacht und werden dies auch erst mal so beibehalten“, sagte Wolters dazu. „Im Laufe des vergangenen Jahres haben sich keinerlei entlastende Umstände zugunsten des Beschuldigten ergeben“, berichtete er zum Stand des Verfahrens. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Eltern des Mädchens betonten erst kürzlich, dass sie die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrer Tochter immer noch nicht aufgegeben haben. „Wir klammern uns an die Hoffnung, wie klein sie sein mag, dass wir Madeleine wiedersehen werden“, schrieben Kate und Gerry McCann auf ihrer Internetseite. „Dieses Jahr ist es besonders schmerzhaft, weil wir Madeleines 18. Geburtstag feiern sollten.“ Sie dankten den Behörden, dass sie trotz der Corona-Pandemie die Ermittlungen weiterführen.

In Portugal löst der Fall längst eher genervte Reaktionen aus. „Maddie? Schon wieder? Hört das denn nie auf?“, fragte der Betreiber eines Cafés in Lagos sehr gereizt auf die Frage, ob das vor 14 Jahren spurlos verschwundene Mädchen noch ein Thema in der Region sei. Kein Einzelfall – schon seit Jahren gibt es an der Algarve im Süden Portugals kein Mitleid mehr mit den Eltern. Es herrschen vielmehr Ärger und Zorn. Man fühlt sich in Lagos und dem angrenzenden Badeort Praia da Luz ungerecht behandelt und stigmatisiert.

Verbrechensberichte sind nun mal nicht gut für das Tourismusgeschäft. Das Verschwinden eines Mädchens sei zwar sehr traurig, aber ähnliche Fälle gebe es täglich überall auf der Welt. Das wird in Lagos demjenigen, der es wagt, das Thema anzusprechen, mit genervtem Unterton immer wieder erklärt. In der Region gebe es ja kaum Kriminalität.

Zumindest die portugiesische Kriminalpolizei hat den Fall nach der Wiederaufnahme im Jahr 2013 bis heute nicht wieder zu den Akten gelegt. An der Algarve wurde im Laufe der Jahre praktisch jeder Stein umgedreht, sehr viele der gut 3000 Bewohner von Luz wurden befragt, oft auch mehrfach. Eine konkrete Spur gibt es bis heute nicht.

„Wie wir des Öfteren gesagt haben, müssen wir wissen, was mit unserer wunderbaren Tochter geschehen ist – egal was es ist“, schrieben die Eltern zum 18. Geburtstag, den sie ohne Maddie verbringen mussten.

(c-st/dpa)
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