Bochum "Wir hätten das Festival abgesagt"

Bochum · Das Unglück beim Pukkelpop-Festival in Hasselt mit fünf Toten wäre vielleicht vermeidbar gewesen. In Bochum wurde die Eröffnungsparty des Zeltfestivals Ruhr wegen des Unwetters abgebrochen. Laut Wetterdienst Meteomedia hätten die belgischen Veranstalter gewarnt sein müssen.

Für Heri Reipöler war der Donnerstagabend ein Desaster mit glücklichem Ausgang. Der Veranstalter musste die Eröffnungsparty des Zeltfestivals Ruhr in Bochum wegen des schweren Unwetters abbrechen und 600 geladene Gäste nach Hause schicken. "Wir haben eine Fürsorgepflicht gegenüber Besuchern und Mitarbeitern", sagt Reipöler. "Auch wenn es uns nicht leichtgefallen ist, die Absage war alternativlos." Die Zelte hielten dem starken Wind stand, nichts wurde ernsthaft beschädigt. Trotzdem hadert Heri Reipöler nicht mit dem geplatzten Auftakt. "Wir würden wieder so entscheiden", sagt er.

Auch im belgischen Hasselt haben die Veranstalter das eigentlich dreitägige Pukkelpop-Musikfestival abgesagt – aber erst nach den verheerenden Verwüstungen, die ein über das Gelände hinwegziehender Sturm angerichtet hatte. Fünf Menschen starben, mehr als 140 wurden verletzt, zehn von ihnen schwer. Heftige Windböen, die Geschwindigkeiten von mehr als 80 km/h (Windstärke 9) erreichten, wirbelten Zelte herum, zerfetzten Großleinwände und brachten zwei Konzertbühnen zum Einsturz. Auch Bäume wurden entwurzelt.

Das Festival versank im Chaos, Menschen gerieten in Panik und versuchten verzweifelt, das schlammige Gelände zu verlassen. Gestern erklärten Vertreter der Stadt und der Festival-Leitung, das Unwetter sei überraschend gekommen. Weder der belgische Wetterdienst noch ein nahe gelegener Luftwaffenstützpunkt hätten einen Sturm dieser Stärke prognostiziert.

Beim Wetterdienst Meteomedia löste diese Erklärung ungläubiges Kopfschütteln aus. Seine Meteorologen hatten für die belgische Provinz Limburg, deren Hauptstadt Hasselt ist, in einer Vorwarnung schon am Mittwoch heftige Gewitter angekündigt. Am Donnerstag veröffentlichte Meteomedia um 17.25 Uhr eine Akut-Warnung der zweithöchsten Kategorie (rot). "Da war noch genug Zeit, das Festival-Gelände zu räumen", meint Meteomedia-Meteorologe Andreas Neuen. Für ihn ist es unerklärlich, dass der belgische Wetterdienst nicht ebenfalls entsprechende Warnungen herausgegeben haben soll. "Das Herannahen der Front war auf dem Radar schon lange genau zu erkennen. Das muss der belgische Wetterdienst auch gesehen haben", sagte Andreas Neuen.

Aufmerksam hat Ludger Grundmann, Organisator des traditionsreichen Kanalfestivals Datteln, die Wetterprognosen beobachtet. Das Kanalfestival wurde gestern Nachmittag eröffnet. "Einen Tag früher hätten wir die Premiere mit Blick auf die Wetteraussichten abgeblasen", sagt Grundmann. So seien nur ein paar kleinere Gartenzelte weggeflogen. Für eine vergleichbare Schlechtwetterlage wie in Belgien fühlt sich Grundmann aber gewappnet. "Wenn eine solche Front naht, tagt sofort der Krisenstab. Das Gelände wird gegebenenfalls nach einem festen Plan geräumt."

Veranstalter Reipöler in Bochum hat für das 17 Tage dauernde Zeltfestival eigens eine Wetterstation errichten lassen und steht in ständigem Kontakt mit dem Deutschen Wetterdienst. Die Zelte sind ausgelegt auf Windstärke acht bis neun. Abgesagt hat Reipöler am Donnerstag bei Windstärke sieben. Den wirtschaftlichen Schaden übernimmt eine extra abgeschlossene Versicherung. "Wegen des wechselhaften Wetters werden die Policen allerdings von Jahr zu Jahr teurer", sagt er. Andererseits komme man nicht in die Verlegenheit, wegen möglicher Verluste die Sicherheit zu vernachlässigen – immerhin besuchen bis zu 10 000 Menschen pro Tag die Zeltstadt.

Von veränderten Anforderungen durch klimatische Extreme berichtet auch Großbühnenbauer Günter Corint von "Corint Showtechnik". Konzertbühnen müssten heute Spitzenbelastungen bis zu Windstärke zehn aushalten. Das ginge nur mit Systemen, die die windempfindlichen Wände und Planen rund um den Bühnenaufbau in Sekundenschnelle absprengen. "Nicht jeder Veranstalter ist bereit, diese zusätzlichen Kosten zu tragen", sagt er. Wenn das jedoch gewährleistet sei, könne man normalerweise Bühnen-Zusammenbrüchen wie in Belgien vorbeugen.

Zumindest für die kommenden Tage sind derartige Sturmböen laut den Prognosen der Meteorologen nicht zu erwarten. Die Veranstalter des Zeltfestivals Ruhr bleiben entsprechend gelassen. Heri Reipöler, der als Veranstalter ein vergleichbares Unwetter wie am Donnerstag noch nicht erlebt hat, hofft zwar, dass am Wochenende nicht noch einmal eine derartige Gewitterfront über NRW hinwegzieht. Aber er hat auch keine Angst davor. "Wir haben unsere festen Parameter, nach denen wir entscheiden und am Donnerstag bewiesen, dass das auch funktioniert."

(RP)
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