Viersen Wenn eine aus der Reihe tanzt

Viersen · Beim Majorettencorps "Die Vierstadtkinder" muss die Choreographie stimmen.Das Gesamtbild ist beim Cheerleading und Twirling ein Teil der Show. Jede Bewegung ist einstudiert.

Die schillernden Pompons rascheln verheißungsvoll in den Händen der kleinen Tänzerinnen. Mit kreisenden Bewegungen lassen sie die bunten Folienstreifen durch die Luft wirbeln. "Da ist ein Plastikknochen in der Mitte zu Greifen", ruft mir Trainerin Riccarda Gotzen zu, als sie mich etwas ratlos vor den Puscheln stehen sieht. Meine Finger tasten im Gewirr der Raschelstreifen nach dem Griff. Kaum halte ich in jeder Hand einen Pompon, befinde ich mich inmitten der Aufstellung für den ersten Tanz.

"Neue sofort zu integrieren oder Lücken zu schließen, wenn mal jemand fehlt, das lernen die Mädchen von Anfang an", sagt Riccarda Gotzen. Sie ist bereits seit ihrem elften Lebensjahr Mitglied des Majorettenvereins Die Vierstadtkinder. "Damals hat eine Freundin mich mitgenommen. Ich war sofort fasziniert und bin dabei geblieben." Jahrelang hat sie selbst getanzt, nun bringt sie dem Nachwuchs die richtigen Schritte bei.

"Läuft", sagt sie knapp, als sie den Knopf an der Musikanlage herunter drückt. "Die Hände zum Himmel", schallt aus der Musikanlage und sofort setzt sich die Gruppe um mich herum in Bewegung. Mal fliegen die Pompons raschelnd nach rechts, dann nach rechts, um in der nächsten Minute über den Köpfen der Tänzerinnen zu kreisen. Konzentriert beobachte ich meine Vorderfrau und versuche so gut wie möglich mitzukommen. Doch Riccarda Gotzen muss mehrmals die Reihe korrigieren, aus der ich immer wieder tanze.

"Locker und leicht soll das Cheerleading aussehen. Die tänzerischen Elemente stehen im Mittelpunkt, die Pompons sind etwas fürs Auge", erklärt Riccarda Gotzen. Die 47-Jährige lässt sich pro Jahr drei bis vier neue Choreographien einfallen, die sie anschließend immer wieder mit den Mädchen übt, um die Bewegungen zu verfeinern. Sobald alles zusammen passt, treten sie zu Karneval, bei Schützenfesten, auf Weihnachtsfeiern und für Geburtstagskinder auf.

In meinem Bemühen mitzuhalten, habe ich mich mal wieder in die falsche Richtung gedreht. Madline, das Mädchen neben mir, grinst breit. Sie scheint das zu kennen. "Andersrum", flüstert sie in meine Richtung und ich drehe ihr den Rücken zu. Doch schon beim nächsten Schritt winkle ich das falsche Bein an. "Nochmal", ruft Gotzen zu meiner Erleichterung und stoppt die Musik. Offenbar bin ich nicht als Einzige aus der Reihe getanzt. "Alles auf Anfang", sagt Riccarda Gotzen, rückt nochmal die Reihen zurecht und spielt die Musik von vorne ab. Diesmal klappt es besser und selbst ich komme einigermaßen mit.

Unter den Tänzern bin ich mit Abstand die Älteste. Die Mädchen sind zwischen sechs und 15 Jahre alt. "Viele hören auf, wenn sie in die Berufsausbildung gehen", berichtet die Trainerin. Sie wünscht sich noch mehr Nachwuchs für ihre Truppe. "Es gab Zeiten, da kamen jede Woche 50 Leute." Heute stehen 15 Mädchen in der Dülkener Turnhalle. Dabei sind Taktgefühl und der Spaß an der Bewegung die einzigen Voraussetzungen.

"Dann nehmt euch die Stäbe", ruft Riccarda Gotzen und die Mädchen tauschen ihre Pompons gegen blitzende Metallstäbe mit dicken Gummipfropfen an den Enden. Die Trainerin weist mir einen Platz in der hinteren Reihe zu. Vorne bläst die zwölfjährige Nina in ihre Trillerpfeife und gibt zu fröhlicher Schützenfestmusik die Marschrichtung vor. Auf Kommando schwingen alle die Stöckchen, auch ich. Auf der Stelle zu treten fällt mir auch nicht schwer, doch bei den rasanten Drehungen des Stöckchens erlebe ich den Totalausfall. Riccarda Gotzen sieht meine verzweifelten Versuche und versucht mir zu zeigen, wie ich den Stock in einer Acht um mein Handgelenk bewege. Ich bemühe mich, doch den richtigen Dreh habe ich nicht raus. Ich bin froh, dass Nina pfeift und ich einfach nur nach vorne marschieren muss.

Von Twirling, dem Sport mit den Stöckchen, hatte ich noch nie gehört. "Es kommt aus Amerika und leitet sich von dem englischen Wort twirl, drehen, ab", erklärt mir Riccarda Gotzen. "Da gibt es verschiedene Kombinationen und Techniken. Wir bauen auch Soli in unsere Choreographien ein." Während das Cheerleading mehr auf Showelemente setzt, ist das Twirling steifer und erinnert mehr an das Marschieren. Rechtes Bein, linkes Bein, rechtes Bein, linkes Bein und Stöckchen drehen. Bei diesem Versuch fällt mein Stock polternd auf den Hallenboden. Fast sehnsüchtig schaue ich zu den schillernden Pompons herüber. Das war ohne Übung für mich viel einfacher.

(RP)
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