Viersen Radfahrer bringt Goethes Werther auf Touren

Viersen · Die unkonventionelle Regie und die schauspielerische Leistung beeindruckten das junge Publikum in Viersen

 Im Mittelpunkt: die innere Zerrissenheit Werthers.

Im Mittelpunkt: die innere Zerrissenheit Werthers.

Foto: Malinowski

Drei Regale, gefüllt mit Schreibpapier und bunten Blumen, und dazu zerknülltes Papier auf dem Boden der Festhallen-Bühne: Das war der Rahmen der Dramatisierung eines berühmten Klassikers, der Leiden des jungen Werther. Die Liebesqualen eines jungen Juristen, die schließlich zum Selbstmord führen, wurden in Szene gesetzt von zwei jungen Künstlern, einem engagierten Schauspieler und einem konditionsstarken Radfahrer.

Auf Anhieb wollte sich das Regiekonzept des Consol Theaters Gelsenkirchen nicht leicht erschließen. Da war es gut, dass ein Künstlergespräch nach der Aufführung Gelegenheit zum Fragen gab. Und da wurde doch vieles klarer.

Das Papier lag zum Schreiben bereit, von angefangenen und nicht verschickten Briefen kündeten die zerknüllten Bögen. Die Blumen erinnerten daran, dass der junge Jurist Werther Erholung in schöner Landschaft sucht. Und der Radfahrer? Patrick Praschma ergänzte das Spiel als Performance-Künstler. Mit seinem Standrad betrieb er einen Plattenspieler und konnte die Musik nach Ermessen schneller oder langsamer, vor- oder rückwärts abspielen. Damit belebte er nicht nur die Szene. Er verstärkte mit Musik auch die Emotionen des jungen Werther. Das Fahrrad als Maschine erinnerte ebenso wie die nüchternen Regale daran, dass der junge, schwärmerische Werther mit seinen sensiblen Gefühlen sich einer Welt äußerer Zwänge gegenüber sieht, die ihn nicht zu sich selbst kommen lässt.

Werther-Darsteller Alexander Ritter betonte die Aufgeregtheit des unglücklichen Liebhabers, der ständig unter Strom steht. Sein schauspielerisches Pensum war beachtlich. Er hatte eine große Menge Text zu sprechen und war auch artistisch gefordert. Bewundernswert, wie flink er auf die Regale kletterte und aus nicht geringer Höhe herunter sprang.

Die Dramatisierung des Briefromans stammte von Joachim Meyerhoff und beruhte auf Goethes erster Romanfassung. Einerseits wurde der Original-Text gekürzt, andererseits aber auch durch Auszüge aus Goethes Briefen und andere zeitgenössische Quellen erweitert. Regie (Andrea Kramer), Dramaturgie (Sylvie Ebelt) und die beiden Darsteller waren sich darin einig, die Sicht auf Werther ganz auf seine Subjektivität zu konzentrieren. Im Mittelpunkt stand nicht die Analyse der Faktoren, die zum Selbstmord führten, sondern die innere Zerrissenheit des traurigen Helden. Das unkonventionelle Regiekonzept und die darstellerischen Leistungen gefielen, wie dem herzlichen Beifall zu entnehmen war, dem vorwiegend jungen Publikum.

(-tr)
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