Viersen Flucht vor dem sicheren Tod

Viersen · Mamadou Aliou Diallo ist aus seiner Heimat Guinea geflüchtet. Er leidet an einer erblichen Bluterkrankung. In seinem Geburtsland fand er keine Hilfe. Korrupte Behörden sabotieren die Arbeit der Hilfsorganisationen.

 Mamadou Aliou Diallo, genannt "Ali", lebt seit 2007 in Deutschland. Ob er bleiben kann, ist ungewiss. Im Januar muss er wieder zur Ausländerbehörde.

Mamadou Aliou Diallo, genannt "Ali", lebt seit 2007 in Deutschland. Ob er bleiben kann, ist ungewiss. Im Januar muss er wieder zur Ausländerbehörde.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Vor fünf Jahren hat Alis Leben neu begonnen. Damals ist er nach Deutschland gekommen. "Ali", so solle man ihn nennen, sagt Mamadou Aliou Diallo. Der 25-Jährige kommt aus Guinea, einem kleinen Land mit zehn Millionen Einwohnern an der westafrikanischen Küste. Er leidet unter Sichelzellenanämie, einer Krankheit der roten Blutkörperchen, die meist tödlich verläuft.

Ali ist in Samba aufgewachsen, einem winzigen Dorf im äußersten Südosten Guineas in der Nähe der Elfenbeinküste. Keine Straße führt dort hin. Die nächste Stadt Beyla mit rund 13 000 Einwohnern liegt knapp 30 Kilometer weit entfernt. "Ohne Geld wird in meinem Land niemandem geholfen", sagt Ali. Dort zu bleiben, hätte den sicheren Tod bedeutet. Er berichtet von der Willkür der korrupten Behörden. Die Medikamente, die Hilfsorganisationen nach Guinea schicken, würden häufig beschlagnahmt und nur gegen Geld weiterverkauft.

"Die Menschen verkaufen dann das bisschen Land, das sie besitzen, um sich Medikamente leisten zu können." Denjenigen, die nichts zu verkaufen haben, bleibe nur, sich selbst zu helfen. Laut dem aktuellen Bericht von Transparency International rangiert die ehemalige französische Kolonie Guinea auf Platz 154 von 174. Dahinter folgen Staaten wie Afghanistan oder Nordkorea.

Sichelzellenanämie ist eine erbliche Krankheit. Alis gesamte Familie trägt das Gen in sich, das für den Defekt der roten Blutkörperchen verantwortlich ist. An seine Eltern kann er sich kaum erinnern. Sie erlagen der Krankheit bereits, als er ein Kleinkind war. Aufgewachsen ist Ali bei seinem Onkel. "In Samba zu leben, heißt, sich selbst zu versorgen. Wenn du essen willst, musst du etwas anbauen." Der Alltag bestand für ihn deshalb aus Feldarbeit. Aufgrund seiner Krankheit war Ali jedoch oft geschwächt.

Bei Sichelzellenanämie verformen sich die roten Blutkörperchen bei Sauerstoffmangel zu sichelartigen Gebilden. Sie verstopfen die Blutgefäße und führen zu schmerzhaften Krämpfen bis hin zu Organversagen und dem Tod. Je größer die Anstrengung, desto schlimmer die Symptome. Oft habe ihn sein Onkel geschlagen, wenn er nicht weiterarbeiten konnte. Er glaubte, Ali sei einfach faul.

Der 25-Jährige fasste deshalb den Entschluss, das Land zu verlassen um medizinische Hilfe zu bekommen. Aber wie fast alle in seinem Dorf hatte er keine Dokumente, nicht einmal eine Geburtsurkunde. An die Behörden wollte Ali sich aber nicht wenden. "Die helfen dir nicht. Ohne Papiere und ohne Geld hast du keine Rechte. Die stecken dich einfach so ins Gefängnis."

Ein Mitarbeiter einer kanadischen UN-Hilfsorganisation, die in Alis Dorf einen Brunnen baute, habe ihm schließlich geholfen, Papiere zu bekommen. 2007 hat er es so geschafft, nach Deutschland zu kommen. Über die zentrale Stelle für Asylbewerber in Dortmund kam er nach Heinsberg. Vor zwei Jahren zog er um nach Viersen. In Mönchengladbach bekam er medizinische Hilfe. Seitdem er täglich Medikamente nimmt, geht es Ali besser.

Seine beiden Geschwister hatten weniger Glück. Beide musste Ali in Guinea zurücklassen. Im vergangenen Jahr starb sein Bruder — ebenfalls an Sichelzellenanämie. Auch seine Schwester und ihre fünf Kinder haben die Krankheit. "Sie sind alles, was mir noch bleibt", sagt Ali. Sobald er kann, will er sie nach Deutschland holen. Doch dazu fehlt ihm momentan das Geld. Er lebt von Sozialhilfe. "Aber eigentlich will ich das nicht." Stattdessen wolle er Deutsch lernen, Arbeit finden, doch das sei schwierig, sagt er.

Eine Schule gab es in seinem Dorf nicht. Lesen und Schreiben kann Ali nur Arabisch — er hat es sich selbst beigebracht. Zwar hat er eine Arbeitserlaubnis. Solange er aber weder einen Job noch eine Wohnung habe, werden seine Duldungspapiere nur im Drei-Monats-Rhythmus verlängert. Im Januar muss er wieder zur Ausländerbehörde. Ob er weiter bleiben darf, weiß er nicht. "Und niemand gibt mir einen Job oder eine Wohnung, wenn nicht klar ist, ob ich in zwei Monaten noch hier bin", sagt Ali.

(RP/ac)
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