Gert Linssen aus Südafrika Feststimmung im Regenbogenland

Der in Geldern aufgewachsene Gert Linssen berichtet über sein Leben in Bloubergstrand nahe Kapstadt in Südafrika, wo er seit zwölf Jahren lebt:

"Während meiner Zeit in London habe ich meine auch heute noch bessere Hälfte Antoinette kennengelernt, die als Personaldirektorin der größten Brauerei in England arbeitete und sich auf einer Geschäftsreise nach Kapstadt total in Land und Leute verliebte. Sechs Monate später ging es mir ähnlich, und Antoinette entschied kurzfristig, dass Michell's Brewery in Südafrika eine neue Geschäftsleitung benötigte. Nun sind wir schon zwölf Jahre hier in Kapstadt und haben uns bestens eingelebt in Bloubergstrand — "Kapstadt's number 1 picture postcard beach" und Kitesurferparadies.

Um eine dauernde Aufenthaltsgenehmigung in Südafrika zu bekommen und um sicherzustellen, das unsere in Südafrika geborene Tochter Zarah auch langfristig hier in die Schule gehen kann — sie würde ansonsten in Südafrika lediglich als ein "Legal Alien" (man erinnere sich an Stings Song: "English man in New York") mit drei Monaten Touristenvisum behandelt — habe ich hier in der Zwischenzeit das 4-Sterne-Gästehaus "Three Palms Luxury Cottage" (www.3palms.co.za) aufgemacht und unterstütze Antoinette zudem in Finanz-und Verwaltungsfragen, zeige Gästen das Kap oder gehe mit meinem 19-jährigen Sohn Peter, der zwei Mal im Jahr zu Besuch kommt, zum Wakeboarden.

Ich erinnere mich immer noch gerne an unsere erste Weihnachtsfeier in der Brauerei. Wir hatten die obere Bar für die Feier gebucht, und zum ersten Mal waren Weiße, Schwarze und Farbige gemeinsam auf einer Weihnachtsfeier. Mit steigender Stimmung wurden dann auch Weihnachtslieder gesungen. Als ich dann "I'm Dreaming of a White Christmas" anstimmte, sahen mich alle verdutzt an. Sie lachten aber kurz darauf herzlich, da allen klar war, dass das von mir gesungene Lied keinerlei Anspielung oder politische Einstellung meinerseits darstellte.

Mir selbst war dieser Fauxpas vollkommen unbewusst. Seitdem hat sich einiges getan in Südafrika — die Apartheidsjahre sind Vergangenheit, deren Bewältigung ist ein fortlaufender Prozess, und das seit 1994 demokratische Südafrika mit dem ANC (African National Congress) als Regierungspartei steckt immer noch in den Kinderschuhen. Probleme wie Korruption, Aids und Gewaltverbrechen sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen, wenngleich für die Touristen, die das wunderschöne Land mit seinen lebenslustigen und freundlichen Menschen bereisen, eher selten augenscheinlich.

Der gesellschaftliche Wandel in der "Rainbownation", wie sich Südafrika selbst nennt, spiegelt sich nicht nur in den Vorstandsetagen wider, sondern auch in den Schulen. Die besten Klassenkameradinnen und Freundinnen meiner Tochter Zarah (sie selbst ist halb deutsch und halb irisch) sind alle Südafrikanerinnen, haben aber Eltern mit griechischer, indischer, schottischer, khosa, afrikaans und englischer Abstammung.

Die Weihnachtszeit ist wohl die einzige Zeit im Jahr, in der ich immer mal wieder Heimweh verspüre. Zwar haben wir hier auch Weihnachtsbasare (bei 25 Grad schmilzt in der Sonne so manche Weihnachtskerze), und in den Geschäftszentren trällert schon seit Ende September Weihnachtsmusik. Irgendwie aber ist das Feiern unter den Weinreben und das Braaien — so nennt der Südafrikaner das Grillen — im Wintergarten doch nicht dasselbe, auch wenn es gebratenen Truthahn und Schinken gibt. Ich hatte zwar in 30 Jahren Deutschland auch nur ein richtiges weißes Weihnachtsfest, an das ich mich erinnern kann, aber dennoch fehlt einem hier doch das kalte, ja sogar das schmuddelige Wetter, das einen an seine Kindheit erinnert.

Antoinette ist allerdings ein richtiger Weihnachtsfan, und festliche Stimmung kommt auch bei uns auf im Kreise von Freunden und Gästen des Gästehauses. Wenn doch nur der Weihnachtsbaum nach Edeltanne riechen würde! Unser erster echter Weihnachtsbaum hielt gerade mal eine Woche, bevor sich das Nadelwerk wärmebedingt verabschiedete. Seitdem greifen wir auf Kunststoffbäume zurück.

Ich habe allerdings eine Dame hier kennengelernt, die aromatisierte Kerzen herstellt. Bei ihr werde ich Edeltannenduft in Auftrag geben, und dann wird fröhlich und ausgelassen gefeiert bei strahlendem Sonnenschein, im Swimming Pool, unter den Weinreben im Garten, und spätabends dann in unserer Hausbar und im Wintergarten. "Another shitty day in paradise!", wie die Einheimischen hier zu sagen pflegen.

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