Neuss Gawriloff will aus Bern weg

Neuss · Vor zwei Jahren ist der damalige Intendant der Deutschen Kammerakademie, Matthias Gawriloff, beim Neujahrskonzert verabschiedet worden, weil er in die Schweiz ging. Jetzt ist er wieder auf dem Absprung.

 Das Neujahrskonzert 2009 der Kammerakademie setzte den Schlusspunkt unter Matthias Gawriloffs Neusser Zeit als Intendant des Orchesters. Fotos: Archiv

Das Neujahrskonzert 2009 der Kammerakademie setzte den Schlusspunkt unter Matthias Gawriloffs Neusser Zeit als Intendant des Orchesters. Fotos: Archiv

Foto: Archiv

Zwei Jahre ist es jetzt her, dass Matthias Gawriloff als Intendant der Deutschen Kammerakademie beim Neujahrskonzert offiziell verabschiedet wurde. Auf allen Seiten mit großem Bedauern, aber auch mit viel Verständnis, denn mit seinem neuen Job als Direktor des renommierten Berner Symphonie-Orchesters (BSO) war der damals 54-Jährige die Leiter hinaufgefallen. Und dennoch ist er dort jetzt wieder auf dem Absprung. Aus eigener Initiative.

 Matthias Gawriloff

Matthias Gawriloff

Foto: NGZ

Denn das BSO und das Theater in Bern sollen fusionieren, und Gawriloff hat dafür in nur kurzer Zeit vor allem "aus Sicht der beteiligten Musiker", wie er sagt, ein Modell entwickelt, das an oberster Stelle einen Musikdirektor von zwei Orchestern mit zwei Chefdirigenten vorsieht. Dass nicht nur er sich für den Posten geeignet hält, ist dabei weniger das Problem: "Es gibt in der Schweiz keine Streitkultur", erzählt er, "sondern alles wird in Hinterzimmern entschieden." Diverse Kommissionen hat er kommen und gehen sehen, und nachdem sich nach zwei Jahren immer noch nichts getan hat, steht für ihn so gut wie fest: "Es reicht mir, ich gehe." Wohin mag er allerdings noch nicht sagen: "Das wird sich in den nächsten Monaten entscheiden."

Während Gawriloff von der Arbeit mit dem BSO schwärmt, hat er für die Schweizer an sich nicht viel gute Worte über: "Ich habe mich noch nie so als Ausländer gefühlt wie hier", sagt er, "die Mentalität der Schweizer ist völlig anders." Was ihn besonders verbittert, ist der Umstand, dass seine Familie mit den beiden heute zehn und zwölf Jahre alten Kindern mit ihm nach Bern gezogen ist: "Meine Kinder sind voll integriert, sprechen perfekt Schweizerdeutsch und fühlen sich sehr wohl."

Als Gawriloff vor zwei Jahren nach Bern wechselte, fand er eine ähnliche Situation wie 2001 zu seinem Start in Neuss vor. Er musste einen neuen Chefdirigenten suchen, denn der damalige, Andrej Boreyko, wechselte nach Düsseldorf. Das ist ihm mit der Verpflichtung von Mario Venzago zur vollsten Zufriedenheit aller gelungen, und überhaupt hat sich beim BSO alles zum Besten entwickelt: "Ich habe wahnsinnig viel gearbeitet", sagt er, "aber auch viel erreicht." Zehn Prozent mehr Abonnenten, acht Prozent mehr Auslastung, der Generationswechsel im Orchester sei fast abgeschlossen, die Finanzen in Ordnung, das Orchester überall gefragt — und dennoch sagt er heute, dass er wohl nicht gegangen wäre, wenn die Schweizer in Sachen Fusionsprobleme mit offenen Karten gespielt hätten.

Den Kontakt zur dkn hat er übrigens nie abgebrochen. Deren Chef Lavard Skou-Larsen dirigiert im Sommer zum dritten Mal das BSO: "Meine Musiker mögen ihn sehr", sagt Gawriloff. Dass er selbst die dkn seit einem Weggang nicht mehr in Neuss gehört hat, habe auch nur einen Grund: "Ich bin kaum rausgekommen, habe nicht mal Urlaub gemacht."

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort