Moers Nischenvielfalt mitten in der Stadt

Moers · Auf dem Platzhirsch-Festival wurde am Wochenende in Duisburg viel experimentiert, in der Musik wie in der Kunst.

Ein stilechtes "Halali" schallte am Freitag über den Dellplatz und eröffnete den diesjährigen "Platzhirsch" offiziell. Das traditionelle Jagdsignal, schickten Harald "Sack" Ziegler und Kai Winter durchs Dellviertel; was folgte, waren drei Tage Kunst und Perfomance, Tanz und Lesungen aber vor allem Musik.

Zum Start bespielte die vierköpfige Band "Darjeeling" den Dellplatz, der schon am frühen Freitagabend gut gefüllt war. Grob dem Indie-Rock/Pop zuzuordnen wagten sich die Musiker hin und wieder aus den bekannten Liedschemata heraus und wandten sich krummen Taktarten und offeneren Akkorden zu. Doch auch den normalen Rockduktus würzte die Band mit klassischer Besetzung mit reduziertem Harmoniegesang und einigen sphärischen Rubato-Passagen. Die harmonischen Expeditionen der drei Harmonieinstrumente Gitarre, Bass und Keyboard war vor allem nötig, um die obligatorische Absicherung des Drummers zu überspielen. Wie in den vergangenen Jahren durften sich die Schlagzeuger auf dem Dellplatz nicht nur in musikalische Höhen schwingen, sondern auch mit einer Hebebühne einige Meter in die Luft steigen.

Den Drummern gleichtun konnte es die Besucher des Platzhirschfestivals auch in diesem Jahr wieder, mit der Fahrt auf einer extra bereitgestellten Hebebühne der Firma Gerken, noch dazu für einen guten Zweck. Die Fahrt lieferte nicht nur neue Perspektiven auf Duisburg, sondern passte auch hervorragend in das Gesamtkonzept des Platzhirsch-Festivals. Mitten in der Stadt, mitten in einem beliebten Ausgehviertel haben es die Veranstalter geschafft, neue Blickwinkel auf die altbekannte Stadt zu liefern. Der reichte nicht nur in die Musik- und Kunstszene, sondern auch bis zu jungen Unternehmern, die oft alternative Ansätze alter Modelle präsentierten. Klar, Bierwagen und Bratwurststand waren auch beim Festival der Nischenvielfalt eine sichere Bank. Aber selbst dort konnten es die Besucher und die Helfer ein bisschen ruhiger angehen lassen und ein paar Worte wechseln, die familiäre, fast dörfliche Atmosphäre auf dem Dellplatz machte es möglich. Experimentiert wurde indes auch im künstlerischen Bereich, zum Beispiel im Minikonzert "Pupupidu" im Kirchenkeller, von dem nahezu jeder Gast schwärmte, nachdem er für eine Minute ganz alleine von einem Überraschungskünstler bespielt wurde. Interessant war das Miniaturkonzert natürlich auch mit Blick auf die übliche Dynamik von Künstler und Publikum, wenn beide plötzlich alleine auf ihrer Seite der Bühne stehen. Nicht weniger ungewöhnlich waren Peter Steinebachs Installationen gleich nebenan, die eine einzigartige Wirkung entfalteten.

Das Festival war der Star, natürlich dank des Programms, aber auch dank seiner Homogenität, trotz oft großer Unterschiede zwischen den Bands und Künstlern. Musikalischer Höhepunkt war das Konzert von John-Dennis Renkens "Zodiak Trio" mit der Posaunistin Shannon Barnett. Die reduzierte Rhythmusgruppe, bestehend aus Schlagzeug und Gitarre ließ in den Stücken viel Platz für Improvisationen von Trompete und Posaune, die immer wieder in melodische Strukturen rutschten, die den Kompositionen einen Fixpunkt gaben. Trotzdem waren auch durchkomponierte Passagen zu erkennen, besonders in den offenen Harmonien der Gitarre. Shannon Barnett wurde ihrem Ruf als Weltklassesolistin einmal mehr gerecht, beeindruckend war ihre Eleganz auf dem schwerfälligen Instrument. Auch Balladen funktionierten hervorragend, Drummer Bernd Oezsevim spielte seine Trommeln und Becken vor allem dann wie ein Melodieinstrument.

(RP)
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