Unsere Woche Die Strategie der Indiskretion

Moers · Nach ihrem Bruder Mark unternimmt nun die Rheinkamper SPD-Vorsitzende Silvia Rosendahl einen Anlauf, Beigeordnete in der Verwaltung der Stadt Moers zu werden.

Wenn aus einer Zahl von 29 Bewerbern um ein politisches Amt ein einziger Name durchsickert, dann kann das zweierlei bedeuten: Entweder hat sich hinter den Kulissen bereits eine Mehrheit für den Betreffenden entschieden, oder der Name wurde in einer noch unentschiedenen Lage bewusst durchgestochen, eben um genau diesem Kandidaten zu verhindern.

Im Falle Silvia Rosendahls, die sich um die Nachfolge von Kornelia zum Kolk als Moerser Beigeordnete für Jugend, Soziales, Ordnung und Personal bewirbt, liegt zunächst letztere Vermutung nahe. Ihr Bruder Mark, der erwogen hatte, sich um dasselbe Amt zu bewerben, kann ein Lied davon singen. Seit bekannt war, dass er an dem Job Interesse hatte und seine Chancen sondierte, war er praktisch aus dem Rennen. So könnte es nun auch Rosendahl gehen, die seit Mittwoch auf dem Präsentierteller steht. Wie bei ihrem Bruder kann es sich bei dem "Verräter" eigentlich nur um einen Parteigenossen handeln. Will die gleiche Fraktion, die Mark Rosendahl als Fraktionsvorsitzendem das Leben schwer machte und ihm einen möglichen Karrieresprung verbaute, nun Silvia Rosendahl als Beigeordnete unmöglich machen? Auszuschließen wäre das nicht, zumal es starke Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Indiskretionen damals wie heute aus gleicher Quelle stammten.

Es gibt jedoch noch eine andere Lesart, die auch einiges für sich hat. Demnach ist die öffentliche Nennung des Namens Rosendahl Teil einer aus der Not geborenen Vorwärts-Strategie der SPD. Nach den Informationen unserer Redaktion hat die Verwaltung den Parteien eine Liste mit sechs Namen vorgelegt. Rosendahl soll nicht darunter sein. Wie man hört, fehlten ihr nach Ansicht der Verwaltung die formalen Qualifikationen für das Amt. Ähnliche Zweifel waren auch schon gegenüber ihrem Bruder laut geworden. Jedenfalls fällt auf, dass sie großen Wert auf die Feststellung legt, dass Experten der Düsseldorfer Staatskanzlei ihr die Befähigung für das Amt bescheinigten. Die hat zwar mit der Entscheidung nichts zu tun, doch könnten so vom Rosendahl-Lager schon im Vorfeld gezielt Zweifel an der Rechtsauffassung der Moerser Verwaltung gestreut werden, die dann in der politischen Auseinandersetzung noch einmal nützlich werden könnten.

Aber will die SPD mit Grünen und Grafschaftern - und möglicherweise zwei irrlichternden Einzelratsmitgliedern - an ihrer Seite wirklich einen reinen Parteikandidaten durchboxen? Die Entscheidung fällt zwar erst am 4. Oktober und somit nach der Bundestagswahl. Die Weichen müssen aber vorher gestellt werden. Da käme es beim Wahlvolk gar nicht gut an, wenn der Eindruck entstünde, die SPD verteile in Moers Versorgungspöstchen.

Zudem haben die Moerser Sozialdemokraten gute Erfahrungen damit gemacht, auf Kompetenz und nicht aufs Parteibuch zu setzen. Die Berufung von Thorsten Kamp - gegen den Widerstand der CDU im Übrigen - gilt mittlerweile fraktionsübergreifend als Glücksgriff.

Vielleicht interpretieren wir in die aktuelle Indiskretion ja auch mehr Strategisches hinein, als tatsächlich drinsteckt. Vielleicht ist der Durchstecher ja nur ein Wichtigtuer, der mit seinen Kenntnissen angeben wollte. Dann wäre die ganze Angelegenheit nichts weiter als eine Riesen-Dummheit.

Ein schönes Wochenende! juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort