Mönchengladbach Von Söhnen, Männern und Machos

Mönchengladbach · Bei den Silvestervorfällen in Köln ging es um "Macht und Ohnmacht", elektronische Spiele sind ein "Gedächtnisklau": Kriminologe Christian Pfeiffer sprach beim Neujahrsempfang des BVMW über die Probleme der Jungen in der Bildung.

 Christian Pfeiffer, medienaffiner Kriminologe, ist momentan ein gesuchter Gesprächspartner.

Christian Pfeiffer, medienaffiner Kriminologe, ist momentan ein gesuchter Gesprächspartner.

Foto: BVMW

Die deutschen Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen, sei eine große humanitäre Geste gewesen, sagt Prof. Dr. Christian Pfeiffer, einer der führenden deutschen Kriminologen und ehemaliger niedersächsischer Justizminister. "Aber wir müssen jetzt auf die Bremse treten und einen Weg finden, die deutschen Grenzen zu sichern." Die zehn Milliarden Überschuss, die der Staat erwirtschaftet hat, müssten jetzt in die Integration der hier lebenden Flüchtlinge fließen.

Pfeiffer, medienaffiner Kriminologe, ist momentan ein gesuchter Gesprächspartner und in vielen Talkshows oder durch Interviews im Fernsehen präsent. Am Donnerstagabend war er als Hauptredner beim Neujahrsempfang des Mönchengladbacher Ablegers des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW). Sein eigentliches Thema, die Leistungskrise der Jungen in Deutschland, erweiterte er um eine Stellungnahme zu den Silvesterübergriffen in Köln. Grundsätzlich, so stellte er fest, sei die hinter den Übergriffen steckende Machokultur aufzubrechen. Das konnte er belegen mit Untersuchungen, die er mit jungen Türken in Deutschland durchgeführt hat und die einen Rückgang der Machohaltung innerhalb von 15 Jahren von 41 auf 10 Prozent zeigen. Das habe funktioniert, weil man an die Kinder herangekommen sei. "Mit fertig gebackenen jungen Männern haben wir keine Erfahrung", sagt der Kriminologe, "aber bei der abnehmenden Bevölkerung in Deutschland sind wir auf die Integration der Einwanderer angewiesen." Vereine könnten dabei eine große Rolle spielen.

Außerdem wies er darauf hin, dass es in Köln auch um Macht und Ohnmacht gegangen sei, um hochfrustrierte junge Männer, die wüssten, dass sie praktisch keine Chance auf Anerkennung als Flüchtlinge haben und die in der Gruppe risikofrei agieren konnten.

Dann wandte sich Pfeiffer seinem eigentlichen Thema, der Leistungskrise der Jungen, zu. Die Zahlen belegen es: Die Jungen und jungen Männer haben mehr Probleme als die Mädchen und Frauen, gute oder sehr gute Abschlüsse in der Schule oder an der Universität zu machen. Unter den Spitzenabiturienten seien 60 Prozent Frauen, unter den Studienversagern 70 Prozent Männer. Das sei aber kein deutsches, sondern ein internationales Problem, das beispielsweise in den USA noch stärker erkennbar sei. Der Kriminologe machte zwei Gründe dafür aus. Vordergründig liege das schulische und akademische Versagen der Jungen am heftigeren Medienkonsum. "Die Jungen sind stärker in die Medienwelten eingesunken", formulierte Pfeiffer. 15 Prozent der Jungen spielen täglich mehr als viereinhalb Stunden am PC. Bei den Mädchen sind es nur vier Prozent.

Die elektronischen Spiele seien ein echter "Gedächtnisklau". Durch ihre hohe emotionale Wirkung überlagerten sie andere Inhalte schnell. Doch die eigentliche Ursache für die Probleme der Söhne fand Pfeiffer im Verhalten der Väter. "Die Lebenszufriedenheit der Söhne hängt von der Liebe der Väter ab", stellte der Kriminologe fest. Grundsätzlich sei eine liebevolle und gewaltfreie Erziehung die erfolgreichste. Am erfolglosesten seien die vielgeschlagenen und wenig geliebten Kinder, die auch am schnellsten in mediale Welten abdrifteten. "Nutzen Sie Ihre Chancen", appellierte Pfeiffer an die Väter. "In der Liebe gibt es keine Verwöhnung."

(RP)
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