Mönchengladbach Geschichten aus dem Gründerzeitviertel

Mönchengladbach · Gerade hat das Quartier seinen 150. Geburtstag gefeiert – mit einem unvergesslichen Fest. Jetzt entsteht eine Chronik. Diese stellt die Bedeutung der Straßenzüge und Häuser rund um Schiller- und Adenauerplatz heraus.

Gerade hat das Quartier seinen 150. Geburtstag gefeiert — mit einem unvergesslichen Fest. Jetzt entsteht eine Chronik. Diese stellt die Bedeutung der Straßenzüge und Häuser rund um Schiller- und Adenauerplatz heraus.

Auf ratternden Reifen rasen die Seifenkisten die Kaiserstraße hinunter. Start ist an der Hermannstraße, das Ziel ist die Bismarckstraße. Eltern stehen vor den Häusern und feuern ihre Sprösslinge an. Hei — ein Riesenvergnügen. Stimmt, das ist lange her. Heute wäre ein solcher Spaß nicht nur verboten, sondern auch lebensgefährlich. Aber die schöne Erinnerung bleibt. Festgehalten ist diese Geschichte in der Chronik des Gründerzeitviertels, die derzeit erarbeitet und im November in Druck gehen wird.

Arne Dorando und Ute Gruben wühlen sich seit Monaten durch Berge alter Fotos und Dokumente. Dornado kennt das Stadtarchiv inzwischen besser als seine Westentasche. Und gemeinsam verbringen die beiden fast ihre gesamte Freizeit mit der Erstellung des Buchs. Ausschnitte aus alten Katasterplänen finden darin Platz, historische Fotos, stadtgeschichtliche Fakten und — Anekdoten. Das Material stammt aber nicht nur aus dem Archiv, vieles wurde auch von Bewohnern des Gründerzeitviertels beigesteuert. "Wir haben auf dem Greta-Markt und auf der Feier zum 150. Geburtstag des Viertels viele Menschen angesprochen", sagt Arne Dorando. "Die Nachbarn kamen dann mit alten Bildern, Postkarten und Geschichten zu uns."

Alles wird in die Chronik einfließen. Zunächst hatten die Autoren vor, eine Art Spaziergang durch das Viertel zu machen. "Aber da kamen wir immer wieder an den gleichen Kreuzungspunkten aus." Deshalb wurden die Straßen alphabetisch geordnet dargestellt. Dabei nimmt das Kapitel über die Kaiserstraße als einer der ältesten im Quartier großen Raum ein. Die historischen Ansichten zeigen eine Prachtstraße mit unverwechselbaren Fassaden, von denen viele heute noch fast unverändert stehen.

Dazu schreiben Arne Dorando und Ute Gruben: "Bekannte Gladbacher Persönlichkeiten ließen hier ihre Häuser bauen, wie Carl Brandts und der Fabrikant Krebs am Kaiserplatz (heute: Adenauerplatz), der städtische Orchesterleiter Michaelsen und der Klavierhändler van Dooren am Schillerplatz. Darüber hinaus siedelten sich auch Banken an: die Gewerbebank am Kaiserplatz, die Gladbacher Bank an der Ecke Bismarckstraße und die Reichsbank auf dem Teilstück zwischen Sittard- und Schillerstraße (heute: Theresianum)."

Zwischen zwei bekannten Gladbacher Familie hat sich in diesem Szenarium eine schöne Liebesgeschichte entwickelt. Die ging so: Reinold Brandts (aus der Textilunternehmer-Familie Brandts) verliebte sich in Paula Therstappen, deren Familie an der Hohenzollernstraße eine Likörfabrik hatte. Um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, fuhr Reinold jeden Abend nach Aachen, um Paula auf ihrem Nachhauseweg zu grüßen. Bis Paula ihn endlich bemerkte, dauerte es eine Zeit, aber schließlich verabredeten sich die beiden zu einem Kaffee. Nach der Hochzeit wohnten sie bis zu ihrem Tod in einem der Brandts-Häuser, dem Haus Burgund. Nach Paulas Tod 1961 wurde das Haus zu einem Hotel umgebaut. Den Namen hat es heute noch, das Wohnzimmer ist jetzt der Frühstücksraum.

Arne Dorando und Ute Gruben bewohnen ein Haus an der Kaiserstraße. "Nachdem wir es gekauft hatten wuchs der Wunsch, mehr über das Viertel zu erfahren", sagen sie. Schnell kamen sie zum Verein Gründerzeitviertel und zu Philipp Molitor, dem Sprecher. 15 Menschen arbeiteten ein Jahr lang intensiv an den Vorbereitungen für das Geburtstagsfest des Gründerzeitviertels, das vor fünf Wochen furios mit Kunst, Musik und der längsten Kaffeetafel Gladbachs gefeiert wurde. "Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, eine Chronik des Viertels zu erstellen", sagt Philipp Molitor. "Wir arbeiten daran", sagten Ute Gruben und Arne Dorando.

(RP)
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