Leverkusen Philipp Tingler vergnügte mit Ironie über die Reichen

Leverkusen · Es gibt ein Milieu, das von Autoren und Feuilletonisten sträflich vernachlässigt wird, hat jedenfalls Philipp Tingler herausgefunden. Das ist die Gesellschaft der der Wohlhabenden und Erfolgreichen, denen es scheinbar an nichts mangelt, weil sie ja alles kaufen können. Aber genau da setzt der Schweizer Autor und Literatur-Talker mit größtem Vergnügen an, um kräftig an der polierten und gelifteten Oberfläche zu kratzen, um die wirklichen Schicksale und bitteren Wahrheiten ans Tageslicht zu holen. In leicht ironischem, süffisanten bis bitterbösem Ton beschreibt er seine bedauernswerten Protagonisten aus der Upper Class.

In der Reihe Museum Litterale stellte er diese Woche sein neues Buch "Schöne Seelen" vor. Das hatte Veranstalter Manfred Gottschalk so gut gefallen, dass er den Schweizer in den Spiegelsaal einlud. Philipp wer? Werden viele gefragt haben, als sie das Programm für Oktober lasen. Denn in Deutschland ist der Autor, der im Schweizer Fernsehen regelmäßig beim Pendant zum Literarischen Quartett zu Gast ist, vergleichsweise unbekannt.

Das dürfte sich vielleicht bald ändern. Die Stammgäste der Schlebuscher Buchhandlung jedenfalls haben sich bei dieser Autorenlesung so köstlich amüsiert, dass sie sicher wissen wollen, wo das alles endet, was Philipp Tingler an dem Abend nur ausschnittweise zum Besten gab. "Du musst so lesen, dass die Leute das Buch kaufen, das ist mein Interesse", hatte Manfred Gottschalk zu Beginn schmunzelnd erklärt. Anders als sonst hatte er nämlich an den Anfang dieser Veranstaltung ein kleines Gespräch mit seinem Gast gesetzt. So erfuhren die Literaturfreunde also zunächst etwas über die Person und vor allem über die Persönlichkeit von Tingler. Der präsentierte sich charmant, amüsant und schlagfertig, lauter Eigenschaften, die auch die Faszination seines Buches ausmacht.

Darin wird erst einmal gestorben, auch in der "besseren Gesellschaft" bleibt davon niemand verschont. Trotz, oder in diesem Falle vielleicht eher wegen, medizinischer Spezialbehandlung in Top-Privatkliniken. Die alte Dame Melina, deren tatsächliches Alter ein gut gehütetes Geheimnis ist, stirbt an den Folgen ihrer letzten von allzu viel Schönheits-OPs. Tingler wirft einen sarkastischen Blick in jene Kreise, zu denen der Normalbürger keinen Zutritt hat, aber für die er sich ziemlich interessiert. In eine Welt, in der alles darum geht, den schönen Schein zu wahren hinter einem "kunstvoll gelähmten Gesicht" und mit Diätpillen. Wo alle denselben Anwalt und denselben Therapeuten aufsuchen und Damen Kleider tragen, die nicht zum Hinsetzen gemacht sind. Ein interessanter Abend, entlarvend, unterhaltsam und ausgesprochen amüsant.

(mkl)
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