Rees Das alte "Reli" soll vermietet werden

Rees · Das ehemalige Reeser Lichtspielhaus steht schon seit langem leer. Jetzt sollen die Räumlichkeiten des alten Kinos einen neuen Nutzer finden. Eigentümer Hermann Voss ist für alle Ideen offen. "Ressa" plant eine Dokumentation.

 Oben: Das Gebäude, in dem sich das alte Reeser Kino befand. Unten: Ein Bild aus den alten Tagen: Pächter Edmund Großkopf beim Reinemachen.

Oben: Das Gebäude, in dem sich das alte Reeser Kino befand. Unten: Ein Bild aus den alten Tagen: Pächter Edmund Großkopf beim Reinemachen.

Foto: Michael Scholten/ RP-Archiv: Stade

In seiner mehr als 90-jährigen Geschichte hat das Reeser Kino so viele Höhen und Tiefen erlebt, dass es sich inzwischen selbst als Hauptdarsteller eines Hollywood-Dramas eignet. Nun wird das nächste Kapitel aufgeschlagen: In den Schaufenstern, in denen einst Filmplakate hingen, werben seit Anfang der Woche vier Zettel dafür, Gewerbeflächen im Erdgeschoss des leerstehenden Kinos an der Weseler Straße zu mieten.

Hermann Voss, dessen Telefonnummer und Mailadresse auf den Zetteln stehen, spricht auf Anfrage der Rheinischen Post von zirka 150 Quadratmetern im alten Kinosaal, zuzüglich Nebenräumen, Küche und sanitären Anlagen.

Rees: Das alte "Reli" soll vermietet werden
Foto: Stade Klaus-Dieter

"Wir sind für alle Ideen offen", sagt Voss und erklärt: "Der Mietpreis ist Verhandlungssache, liegt aber im unteren Sektor, damit der Saal auch für Vereine interessant wird, die dort ein kulturelles Angebot etablieren könnten." Dabei denkt er an Filmabende, Theateraufführungen oder Konzerte. "Abendveranstaltungen mit Rambazamba" möchte Hermann Voss aber nicht haben, da die Wohnungen oberhalb des Kinosaals anderweitig vermietet sind und die Nachtruhe der Mieter geschützt werden soll.

Auch eine Nutzung als Lagerfläche oder Büro kommt laut Voss in Frage. Dank einer mit Öl betriebenen Gebläseheizung ist der Saal beheizbar. Nostalgiker werden bedauern, dass die Sitzreihen mit den hölzernen Klappstühlen nicht mehr vorhanden sind. Sie wurden schon vor Jahren verkauft. Auch die Logenplätze auf dem Balkon, auf dem viele Reeser ihre ersten Küsse austauschten, gehören nicht zum Mietobjekt. Vor einigen Monaten wurde gemunkelt, das alte Kino würde gemeinsam mit den Niederrheinischen Bauernstuben, die Bernie und Christiane Wewers im Frühjahr aufgaben, abgerissen. Es gab Verhandlungen mit dem Investor der benachbarten Immobilie, doch der Kauf kam nicht zustande. "Mittelfristig sind weder Verkauf noch Abriss geplant", sagt Hermann Voss und fügt lachend hinzu: "Erst wenn uns jemand richtig viel Geld für das Haus gibt, würden die Bagger anrollen."

Das "Reeser Lichtspieltheater", kurz "Reli", wurde in den 1920er Jahren gebaut und ist seither im Besitz der Familie Terstegen. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Haus halbwegs unbeschadet. Deshalb fanden dort auch die ersten Reeser Gottesdienste, Theater- und Filmaufführungen statt. Nach einem Umbau im Jahr 1958 bot der Kinosaal 320 Zuschauern Platz, zehn Jahre später kapitulierte Hermann Testegen vor dem neuen Konkurrenten namens Fernsehen und stellte den Betrieb ein. Die Schreinerei Kemkes machte aus dem Haus eine Werkstatt und einen Ausstellungsraum für Möbel. Erst 1973, als Erotik- und Actionfilme auch das Interesse der Reeser weckten, kamen Projektor und Leinwand wieder zum Einsatz. Ein Pächterehepaar aus Wesel betrieb das Kino unter neuem Namen "Bambi", bevor der Filmfan und gelernte Starkstromtechniker Eddie Großkopf zum neuen Pächter des Kinos wurde. Er betrieb auch das Grenzlandkino in Anholt und legte sonntags im Emmerich-Speelberger Eva Theater die Filmrollen ein.

In den 80er Jahren wuchs die Konkurrenz durch Videorekorder, außerdem fuhren die Reeser verstärkt zu Multikinos in Wesel, Bocholt und im Ruhrgebiet. Wenn die Filme dann erst Wochen später das "Reli" erreichten, blieben die Zuschauer aus. Der Ein-Man-Betrieb Edmund Großkopf zeigte die Filme nur noch am Wochenende. Um das Kino zu retten, gründete der Student Ruben Thiel 1990 mit anderen Filmfans den Reeser Kinoring, der auf Klassiker wie "Spiel mir das Lied vom Tod" und "Die Feuerzangenbowle" setzte. Doch 1992 verdunkelte sich die Leinwand endgültig.

Eine christliche Gemeinde mietete den Kinosaal für seine Gottesdienste an. Die Mitgliederzahl sank, die Gemeinde zog 2002 wieder aus. Zwei Jahre später wurde das Gebäude erfolglos bei eBay für 199.000 Euro angeboten.

Der Reeser Geschichtsverein Ressa plant eine Dokumentation über das "Reli". Dafür sollen im kommenden Jahr frühere Kinobesucher - auch vor der Kamera - über ihre schönsten Erinnerungen interviewt werden.

(RP)
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