Düsseldorf Ein Theater für junge Leute

Düsseldorf · Das Junge Schauspielhaus feiert 40. Geburtstag. Die Ästhetik hat sich seit 1976 stark verändert, der Anspruch indes bleibt.

 Unter der Leitung von Barbara Kantel: 2012 - "Ente, Tod und Tulpe" mit Taner Sahintürk (l.) und Elena Schmidt:

Unter der Leitung von Barbara Kantel: 2012 - "Ente, Tod und Tulpe" mit Taner Sahintürk (l.) und Elena Schmidt:

Foto: Sebastian Hoppe

Von Anfang an war da die Idee, Theater könne Kindern etwas zeigen, das ihnen beim Leben hilft. Als Günther Beelitz 1976 die Leitung des Düsseldorfer Schauspielhauses übernahm, richtete er erstmals eine eigene Sparte für junge Zuschauer ein und übertrug die Leitung des damaligen Kinder- und Jugendtheaters an Barbara Oertel-Burduli. Im Konzept für das neue Theater hieß es damals: "Unser technisches Zeitalter braucht als Kontrapunkt die sinnlichen, bildhaften und emotionalen Kräfte der Fantasie. Nur mit ihnen kann der Mensch ohne unmenschliche Deformationen überleben."

40 Jahre später hat der Satz wenig an Aktualität eingebüßt. Ausdrucksformen des Jugendtheaters, seine Themen, Bildsprache und Ästhetik haben sich verändert, doch der Anspruch ist geblieben: Mit den Mitteln der Kunst soll die Vorstellungskraft junger Zuschauer angeregt werden. Das Theater will sie entführen, ihnen mögliche Welten zeigen, doch hat es dabei immer die Realität von Kindern und Jugendlichen im Blick, will nie einfach nur zerstreuen, wie so manche kommerziellen Angebote der Unterhaltungswelt. Das Jugendtheater erzählt von den Kindern selbst, es schert sich um ihre Fragen, Ängste, Wünsche, Träume - und verwandelt sie in Kunst.

Auf diese archetypischen Motive hat schon die erste Leiterin des Jungen Schauspiels, Oertel-Burduli, die damals oft märchenhaften Stücke ihres Spielplans befragt. Und so ist es im Theater an der Münsterstraße geblieben, als Stefan Fischer-Fels, dann Barbara Kantel, Christof Seeger-Zurmühlen und nun wieder Fischer-Fels die Leitung des Hauses übernahmen. "Es ging immer darum, als erwachsener Theatermacher das unbekannte Land der Kindheit zurückzuerobern und daraus Kunst zu machen", sagt der amtierende Chef des Hauses, Stefan Fischer-Fels. Mal habe im Lauf der Jahrzehnte die ästhetische Erziehung von Kindern im Vordergrund gestanden, dann wieder mehr die politische Bildung. Doch eigentlich sei es stets darum gegangen, die Themen und Fragestellungen von Kindern in welcher ästhetischen Form auch immer auf der Bühne zu verhandeln.

Und weil das oft existenzielle Fragen sind, ist Jugendtheater auch für viele erwachsene Zuschauer attraktiv. So haben Künstler in den 70er Jahren darum gekämpft, die spezifischen Anforderungen von Jugendtheater anzuerkennen und Kindern in eigens eingerichteten Theatern den Zugang zu dieser Kunstform zu eröffnen - ganzjährig, nicht nur zur Weihnachtszeit. Heute ist es in Düsseldorf eine Selbstverständlichkeit, dass das Schauspielhaus eine eigene Jugendsparte unterhält. Viele Jugendbühnen verstehen sich inzwischen als Theater für Menschen jeden Alters, in denen mit neuen Formen experimentiert werden darf, jedoch mit großer Konsequenz darauf geachtet wird, dass die Inszenierung auch verstanden wird, dass sie die jungen Zuschauer betrifft. Denn die reagieren unverblümt, nichts ist schlimmer als vor Kindern spielen zu müssen, die nichts verstehen oder sich langweilen.

1976 hieß die erste Inszenierung "Hallo, Kinder, wir sind da!" Glocke schwingend und mit wehenden roten Locken betrat die damalige Theaterchefin Barbara Oertel-Búrduli die Arena und feuerte die Kinder durchs Mikrofon an, mitzuspielen. "Der Jubel der Kinder ließe sich nur in Phon mitteilen", schrieb die "Rheinische Post" damals.

Heute haben sich partizipative Formen weiterentwickelt, das Jugendtheater ist internationaler geworden, spielt Stoffe aus der ganzen Welt und öffnet seine Tore für Menschen aus anderen Kulturkreisen, auf dass sie einen Raum finden, von ihrer Herkunft zu erzählen. Das "Café Eden" im Jungen Schauspielhaus ist so ein Ort. Im Kern geht es im Jugendtheater aber wie früher darum, berührende, dringliche Geschichten zu erzählen. Von Mensch zu Mensch - das hat das Theater anderen Medien voraus. Das wird es auch in Zukunft nötig machen.

(dok)
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