Düsseldorf Architekt der Weltläufigkeit

Düsseldorf · Vor 100 Jahren wurde Paul Schneider-Esleben geboren. Im Düsseldorfer Stadtbild hat er Zeichen gesetzt - vom Mannesmann-Hochhaus an der Rheinpromenade bis zur Rochuskirche in Pempelfort. Und Karikaturist war er auch.

 Das von Schneider-Esleben entworfene Mannesmann-Hochhaus von 1954 zählt zu den bekanntesten Bauten des Architekten.

Das von Schneider-Esleben entworfene Mannesmann-Hochhaus von 1954 zählt zu den bekanntesten Bauten des Architekten.

Foto: Thomas Mayer/MAI

Der Architekt des Mannesmann-Hochhauses am Rhein war nicht so nüchtern, wie man denken könnte. Abseits des Reißbretts verstand sich Paul Schneider-Esleben, dessen Geburtstag sich am Sonntag zum 100. Male jährt, auch auf einen freien Umgang mit dem Zeichenstift. Statt Bauten im internationalen, amerikanisch beeinflussten Stil gingen ihm dann auf einmal Karikaturen und Witzzeichnungen von der Hand. So wie jene Weihnachtskarte von 1953, auf der er sich und seine Familie auf eine Reißschiene setzte, als sei sie ein fliegender Teppich: vorn er selbst, dahinter seine Ehefrau Evamaria, dann seine Kinder Florian und Claudia - jener Florian Schneider, der sich später in der Band Kraftwerk weltweit einen Namen machte.

 Neben dem alten Glockenturm: der eiförmige Neubau von St. Rochus (1954), entworfen von Paul Schneider-Esleben.

Neben dem alten Glockenturm: der eiförmige Neubau von St. Rochus (1954), entworfen von Paul Schneider-Esleben.

Foto: Thomas Mayer/MAI

Weltläufig war auch sein Vater. Zu Beginn der 50er Jahre begann er damit, den am Bauhaus orientierten "internationalen Stil" aus den USA auf Deutschland zu übertragen und ihn behutsam an hiesige Verhältnisse anzupassen - vor allem in Düsseldorf. 1952 wurde seine "Haniel-Garage" an der Grafenberger Allee fertig, eine damals aufsehenerregende gläserne Hochgarage und zugleich Deutschlands erstes Parkhaus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dann ging es Schlag auf Schlag: 1953 machte er mit seinem Nachfolgebau der im Krieg weitgehend zerstörten Kirche St. Rochus in Pempelfort von sich reden, einem eiförmigen Kuppelbau mit einer Fassade aus rautenförmigen Ziegeln, die ein durchlaufendes Wellenband belebt.

Schon ein Jahr später folgte das Mannesmann-Hochhaus, der Verwaltungssitz des Konzerns, dessen Namen man damals noch mit nahtlosen Stahlrohren verband. Später prangte an dem 24-stöckigen Bau das Logo von Vodafone, inzwischen residiert dort das NRW-Wirtschaftsministerium. Die Stahlskelett-Konstruktion um einen massiven Betonkern, heute unter Denkmalschutz, wurde um die Jahrtausendwende unter Leitung des Architekturbüros RKW (Rhode Kellermann Wawrowsky) saniert und wirkt wie ein Klassiker strengen modernen Bauens. Deckenplatten und Wandpanele gehorchen einem Raster, alles hat seine Ordnung und ist - mit Verlaub - auch ein bisschen langweilig. Als Landmarke aber ist dieser Wolkenkratzer en miniature aus der Landeshauptstadt nicht wegzudenken.

Blickt man heute auf Schneider-Eslebens Entwürfe, wird man keinen Stil benennen können, dem sich alle Bauten zuordnen lassen. Der Architekt reagierte nicht nur auf die Moderne, sondern auch auf die Postmoderne und ließ im Übrigen seine Bauten im Streit mit seinen Auftraggebern wachsen. Darüber machte er sich auch lustig - zum Beispiel in einer Zeichnung, die ein Hochhaus mit leicht verrücktem, überstehendem Oberteil zeigt. Damals konnte er nicht ahnen, dass etwas Ähnliches im benachbarten Medienhafen einmal Wirklichkeit werden könnte: in Gestalt der "Nase", die das vom britischen Architekten William Allen Alsop entworfene "Colorium" kennzeichnet.

Schneider-Eslebens Spätwerk hebt sich von seinen frühen Arbeiten spürbar ab. Im Vergleich mit dem Mannesmannhochhaus wirkte das 1992 gegen vielfachen Protest wegen Bauschäden abgerissene Arag-Terrassenhaus am Mörsenbroicher Ei schon fast verspielt.

Von wiederum anderem Charakter ist das 1973 fertiggestellte, 19-geschossige Hochhaus der Stadtsparkasse Wuppertal in Elberfeld, mit 75 Metern das höchste Gebäude der bergischen Stadt. Seine Konzeption deutet auf eine Abwendung von der in den 60er Jahren weit verbreiteten funktionellen Architektur hin. Stattdessen suchte Schneider-Esleben hier durch die Wahl eines ungewöhnlichen statischen Tragsystems einen spannenderen Baukörper zu schaffen. Der Aufzugs- und Nebenraumkern dient dazu, die Last des Bauwerks zu stemmen. An den vier Außenkanten sind je zwei stählerne Zugstangen montiert, an denen die Außenseiten der Bürogeschosse hängen.

Bereits 1970 hatte Schneider-Esleben mit seinem Entwurf des Köln-Bonner Flughafens Aufsehen erregt. Damals zeigte er sich vom Brutalismus beeinflusst. Baugeschichtlich ist dieser Flughafen insoweit bedeutend, als es der erste "Drive-in-Airport" in Europa war. Im Zusammenhang mit diesem Projekt hatte der Architekt viel Gelegenheit, sein Temperament auszuleben. Da ihm die zahlreichen Um- und Anbauten nicht passten, die der Deutsch-Amerikaner Helmut Jahn dem Flughafen später zufügte, protestierte er lautstark mit Berufung auf sein Urheberrecht. Erst nach langen Auseinandersetzungen trat er 2005 sein Recht, an allen baulichen Veränderungen beteiligt zu werden, gegen Zahlung von 175 000 Euro an die Flughafenbetreiber ab.

Im selben Jahr starb Paul Schneider-Esleben 89-jährig auf seinem Gut am Schliersee. In die Geschichte hat er sich als Baumeister eines neuen, unprätentiösen, demokratischen Deutschland eingeschrieben.

(B.M.)
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