Düsseldorf "Gewaltbereitschaft schon im Kindergarten unterbinden"

Düsseldorf · Die Zahl der Gewalttaten, verübt von Jugendlichen (14 - 18 Jahre) oder Heranwachsenden (18 - 21) ist seit Jahren ziemlich konstant. Sie liegt in beiden Altersgruppen bei 300 bis 350 Delikten pro Jahr. Das erklärte am Montag ein Sprecher der Polizei. Aber auffallend sei seit einiger Zeit die wachsende Brutalität der Delikte.

Beim jüngsten Tatort in der ARD von Sonntagabend wurde ein solches Beispiel drastisch gezeigt: Zwei junge Männer erschlagen einen couragierten Mann, der ihnen im Zug in die Quere gekommen war, als sie einen älteren Herren drangsalierten. Die Szene, die sich nachher auf dem Bahnsteig abspielte, hat durchaus Vorbilder aus der Realität, zuletzt u.a. gesehen auf einem Münchner Bahnhof: Mit Schlägen und vor allem Tritten gegen den Kopf bringen die Täter ihr Opfer am Ende um.

Vergleichbare Fälle hat es in Düsseldorf mit solchen Folgen noch nicht gegeben, aber Schlägereien in ähnlicher Intensität schon. Edwin Pütz (48), Leiter der Jugendarrestanstalt Düsseldorf-Gerresheim und gleichzeit Jugendrichter am Amtsgericht Düsseldorf, bestätigt die Aussage des Kripo-Mannes. "Bei der Häufigkeit der Delikte sehen wir kaum Veränderung, aber die Qualität hat sich verändert." Ein großer Teil der Täter habe keine Regeln mehr gelernt, nach denen noch vor wenigen Jahren gelebt (und auch geschlagen) wurde: Wer am Boden liegt, wird in Ruhe gelassen, keine Tritte gegen den Kopf, ein offenbar "besiegtes" Opfer wird in Ruhe gelassen. Pütz: "Heute machen die weiter!" Weil eben bestimmte Normen nicht gelehrt wurden, wie beispielsweise ein simples "Das macht man nicht!"

Dass es so weit kommen konnte, führt er vor allem auf mangelnden Einfluss des Elternhauses zurück – also fehlende Erziehung. Die späteren Täter lernen nicht, dass Gewalt als Problemlösung nicht akzeptabel ist, weil es ihnen keiner sagt oder Gewalttätigkeit umgehend ahndet, sagt Pütz.

Das beginne schon im Kindergarten: Bereits dort sei es wichtig, auffallenden Kindern sofort beizubringen, ihre Aggressionen nicht an anderen auszulassen. Der erfahrene Jugendrichter kennt Fälle, die ihm später im Prozess begegnet sind und die schon in der Kindheit aufgefallen sind. Da müsse man sofort einschreiten und nicht etwa warten.

Auffallend ist heute auch, dass 50 Prozent der Straftaten von zehn Prozent der Täter begangen werden – Intensivtäter genannt.

Der Hang zur Gewalt hat nach Aussagen von Fachmann Pütz sehr viel mit Bildung zu tun. Der weitaus größte Teil jener, die zuschlagen oder zutreten, kommt aus "bildungsfernen Bereichen", wie er es umschreibt. Und er sagt auch ganz klar, der Anteil der jungen Leute mit Migrationshintergrund sei überproportional hoch – mit anderen Worten: Ihr Anteil ist höher als der dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung. Die Taten geschehen außerdem meist unter Alkoholeinfluss, nicht selten sind Täter und Opfer betrunken. Zudem sind in den weitaus meisten Fällen Täter und Opfer vergleichbaren Alters und Herkunft.

Die häufig gehörte Forderung nach schnellerer und härterer Strafe würde Pütz nicht unterschreiben, sondern von Fall zu Fall entscheiden. Bei Erst-Tätern würde er dazu raten, die Umstände der Tat und die Hintergründe genau zu analysieren, sollte jemand wiederholt auffallen, sähe auch er das anders.

Als sicher gilt, dass ein kurzer Aufenthalt im Arrest bei vielen durchaus ein Umdenken bewirkt. Hinter Gittern gebe es viel Zeit zum Nachdenken, da kämen einige zur Besinnung.

(RP)
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