Interview mit Gert Kaiser "Die Universität ist ein Stück von mir"

Düsseldorf · Zum Abschied spricht Gert Kaiser, der Präsident der Freundesgesellschaft der Heine-Uni, über die Förderung junger Menschen und seine eigenen Pläne.

 Nach zehn Jahren als Präsident der Freundesgesellschaft nimmt Gert Kaiser nun Abschied.

Nach zehn Jahren als Präsident der Freundesgesellschaft nimmt Gert Kaiser nun Abschied.

Foto: Bretz, Andreas

Herr Professor Kaiser, für viele Menschen sind Sie untrennbar mit der Uni Düsseldorf verbunden. Wie sehr nehmen Sie jetzt tatsächlich Abschied?

Kaiser 20 Jahre war ich der Rektor der Universität, zehn Jahre Präsident der Freundesgesellschaft: Das ist ein Lebensabschnitt, der mir sehr viel bedeutet. Die Universität ist ein Stück von mir, das darf ich in aller Bescheidenheit so sagen, und ich bleibe weiter tätig, habe eine Reihe von Stiftungen, denen ich vorsitze, und bleibe auch in der Düsseldorfer Öffentlichkeit sichtbar, nicht zuletzt als Kolumnist Ihrer Zeitung. Aber es gibt auch bei meiner sechsjährigen Enkeltochter in San Francisco ein deutliches Drängen, ich möchte mich doch häufiger sehen lassen. Wer kann solchem Drängen widerstehen?

Unter Ihrer Leitung ist die Freundesgesellschaft erheblich gewachsen. Das Vereins- und Stiftungsvolumen liegt bei 36 Millionen Euro, 3,1 Millionen flossen 2012 in die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Wie ist Ihnen dieser Erfolg gelungen?

Kaiser Das unablässige Werben um die Gunst der Düsseldorfer hat sich ausgezahlt. Doch Düsseldorf ist auch eine großartige Stadt für die Weckung von Gemeinsinn. Seit ich Rektor war, bin ich im Gespräch mit der Bürgerschaft und den vermögenden Einzelpersönlichkeiten, denn all das, was die Freundesgesellschaft erreicht hat, ist im Wesentlichen durch Einzelpersönlichkeiten erreicht worden, nicht durch Firmen. Wir haben viel Vertrauen und das ist oft auch in Geld, in Vermögen, ausgedrückt worden. Ich bin sehr zufrieden, dass wir alleine in meiner Amtszeit 20 Millionen Euro an die Uni ausgeschüttet haben. Das wird wahrscheinlich von keiner anderen Universität erreicht.

Welche Projekte sind Ihnen besonders wichtig?

Kaiser Nun, einmal die Projekte, die noch aus meiner Rektorzeit kommen, also die beiden Fakultätsgründungen, dann das "Haus der Universität" und vorher das Schloss Mickeln als Gästehaus der Universität: Das sind bleibende Sachverhalte. Und dass wir zunehmend in den Einzelstiftungen der Freundesgesellschaft Stipendien für junge Wissenschaftler und Studenten bereitstellen. Wenn wir es, wie ich es manchmal an amerikanischen Universitäten sehe, schaffen, dass die jungen Leute sich unserer Universität nicht nur anvertrauen, sondern damit auch eine großartige Plattform für ihr Leben haben: Dann ist das vielleicht die wertvollste Gabe, die wir weiterreichen können. Die Arbeit ist sehr befriedigend und führt dazu, dass ich in meinem zunehmenden Alter auch mit vielen Jungen verkehre.

Haben Sie sich durch diese Kontakte Ihre jugendlich anmutende Neugier und Offenheit bewahren können?

Kaiser Ich habe viele junge Studenten und Kollegen getroffen, die voller Feuer sind für ihre Wissenschaft und Universität. Das ist eine sehr sympathische Generation, so dass ich überhaupt nicht mit Nostalgie an meine Zeit denke, sondern mit Lust an die aufkommende. Und ich habe schon oft gemerkt, dass ich meine Meinung nach diesen Gesprächen geändert habe. Wenn Studenten mir erzählen, warum sie in keine Partei gehen, dann lerne ich von ihnen. Das tue ich auch beim Musikgeschmack. Es waren Junge, die mich spät an Kraftwerk und elektronische Musik gebracht haben. Ich höre auch mit großem Vergnügen die Toten Hosen und bringe meiner kalifornischen Enkelin die neue CD mit.

Wie schwierig ist das Einwerben von Fördermitteln und Wohlwollen, wenn die Uni wegen der Plagiatsprüfung von Annette Schavans Doktorarbeit in die Kritik gerät und bei den aktuellen Problemen der Uniklinik?

Kaiser Wenn man wie ich tief in der Düsseldorfer Gesellschaft unterwegs ist, spürt man, dass so etwas wie Skepsis zugenommen hat. Und ich sage immer wieder, dass die Uni der Entscheidung in der Sache Schavan von Herzen gerne ausgewichen wäre. Dass sie es nicht konnte, liegt in der Natur der Sache. Dann die schwierigen Nachrichten bei der Uniklinik: Wenn ein Ärztlicher Direktor gegen seine eigene Klinik klagen wird, wenn eine Klinik seit Jahren fertig ist und leer steht, wenn in einem Kollegenfalle die Anklage lautet, er habe sich wissenschaftlich nicht korrekt verhalten: Dann sind das Nachrichten, die diejenigen, die die Uni verfolgen, verstören. Dagegen verblassen leider die guten Nachrichten. Will sagen: Ich hatte es schon einfacher.

Dabei gibt es zweifelsohne ja auch gute Nachrichten.

Kaiser Genau. Das Spitzenforschungsprojekt in der Pflanzenbiologie ist eine vorzeigbare Leistung unserer Universität. Unsere Gebäude werden schöner denn je, unser Studenten-Service-Zentrum ist im Bau, wahrscheinlich eine singulär schöne Geschichte für ganz Deutschland: Doch das verblasst dann.

Nur gut 13 Prozent aller Stiftungen haben das Ziel, Hochschule und Wissenschaft zu fördern. Warum gibt es so wenige in diesem Bereich?

Kaiser Eine am Rande stehende Institution wie die Universität, die keine Opernaufführungen macht, hat es eher schwer, Aufmerksamkeit zu bekommen und erst recht Wohlwollen. Vermutlich liegen wir in Düsseldorf aber im Vergleich mit anderen Städten sogar noch gut. Ich weiß es von meiner Heimatuniversität Heidelberg: Die Stadt lebt vom Stolz auf ihre Universität, das führt aber nicht dazu, dass Bürger Teile ihres Vermögens für die Hochschule hergeben.

Die Stadt wirbt mit einer Kampagne unter anderem damit, dass sich in keiner anderen Stadt so viele Japaner wohl fühlen würden. Sollte sie auch für die Uni werben?

Kaiser Dass die Uni noch nicht als Vorzeigeprodukt der Stadt wahrgenommen wird, ist ein Fehler. Weil das tatsächlich nach außen von einer erheblichen Wirkung ist und das Standing dieser Stadt deutlich verbessert. Düsseldorf ist auch eine Universitätsstadt, so wie sie auch eine Modestadt oder eine Industriestadt ist. Mit der wissenschaftlichen Kraft dieser Universität und als Teil der Identität zu werben, würde ich als sehr sinnvoll betrachten.

Das Land will mit einem neuen Gesetz die Zahl der Professorinnen erhöhen. Was meinen Sie dazu?

Kaiser Die jahrtausendalte kulturelle Prägung als Männergesellschaft braucht Gesetze, um von ihren schlechten Gewohnheiten zu lassen. So wie es nicht ganz ohne Gesetz gegangen ist, dass die Menschen aufgehört haben zu rauchen, so geht es auch nicht ganz ohne Gesetz, dass wir eine vernünftige Verteilung der Spitzenpositionen unter den Geschlechtern haben. Man kann auf Dauer nicht 60 Prozent Studentinnen haben und nur zehn Prozent Professorinnen.

Könnte nicht auch der Freundeskreis der Uni mehr Frauen im Vorstand brauchen? Bislang gibt es ja nur eine.

Kaiser Absolut, richtig so. Mein Verdienst, diese eine Frau geholt zu haben, ist nicht gerade ein Jahrhundertverdienst.

Viele kennen Sie als Mann der Hochschule und Wissenschaft, doch eigentlich wollten Sie mal Journalist werden. Warum haben Sie es sich anders überlegt?

Kaiser Mein Anfangswunsch war es, Journalist zu werden, in einer Lokal- oder Politikredaktion zu arbeiten und Einfluss zu nehmen auf die öffentliche Meinung. Dann bin ich, "leider" sage ich manchmal ironisch, einem charismatischen Lehrer begegnet, der mir die Schönheit der mittelalterlichen Literatur so deutlich gemacht hat, dass ich Professor für Altgermanistik wurde. Und irgendwie hat es das Schicksal gewollt, dass ich doch stärker ins Öffentliche wirkte, als Rektor, und inzwischen bin ich auch zum Journalismus gekommen, indem ich monatlich eine Kolumne schreibe. Es ist ein sehr langer Umweg zum Journalismus, den ich genommen habe, aber da bin ich!

Was planen Sie nach dem Abschied als Präsident des Freundeskreises?

Kaiser Einen wesentlichen Teil werden neben Düsseldorf auch Amerika und meine Enkeltochter Emma spielen. Ich will aber auch noch einiges schreiben, teils auf journalistischer, teils auf wissenschaftlicher Ebene. Und dann spiele ich noch eines der schwierigsten Spiele der Menschheit: Golf. Deshalb so schwierig, weil Golf ein Spiel ist, an dem sie an einem Tag den blanken Triumph haben, am nächsten die zerstörendste Niederlage. Und das hält munter, das auszuhalten. Ich bin sogar jetzt bei den letzten Meisterschaften im Club Hubbelrath gegen eigene und andere Erwartungen recht erfolgreich gewesen.

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