So wohnt Düsseldorf Nachbarschaft statt Preußens Drill

Früher wurde hier exerziert. Heute leben Familien in den denkmalgeschützten Gebäuden auf dem alten Kasernengelände an der Tannenstraße in Düsseldorf. Ein Besuch.

 Ein Multifunktionsraum zum Kochen, Essen, Fernsehen, Arbeiten: Marco Littges in seinem Wohnzimmer.

Ein Multifunktionsraum zum Kochen, Essen, Fernsehen, Arbeiten: Marco Littges in seinem Wohnzimmer.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Hier wurde salutiert, exerziert und kommandiert. Drill und Disziplin beherrschten den Alltag der Husaren, Füsiliere und Ulanen - alle vereint im Kampf für des Kaisers Gloria. Heute ist hier nichts mehr preußisch-zackig und ungefähr dort, wo bis zum Ende des Weltkriegsdramas 1918 die Militär-Pferde strammstanden, versenkt Oskar (3) gerade seine Schaufel im Sand. Auf dem alten Kasernengelände an der Tannenstraße wird heute gewohnt, auf einem ruhigen Areal mit Bäumen und Kinderspielplatz entwickelte sich in den letzten Jahren eine entspannte Nachbarschaft.

Die ist einer der Gründe, warum Marco Littges froh ist, vor einigen Monaten eine Wohnung auf dem ehemaligen Garnisonsgrund gefunden zu haben. Selbstverständlich war das keineswegs. Denn das Gelände mit seinen kernsanierten, historischen Gebäuden, die durch Neubauten ergänzt wurden, ist äußerst beliebt. Auch wegen der Lage: Innenstadt, Messe und Flughafen sind schnell zu erreichen. Und die Tannenstraße hat sich in den letzten Jahren herausgeputzt mit kleinen Geschäften, Restaurants und Cafés wie das „Blutrot“ (hinter roter Fassade) oder das „Dolcinella“ mit seiner verführerischen Törtchen-Vitrine - eine Prise Berliner Kiez in Derendorf.

 Die Fassade blieb nahezu unverändert. Die ehemaligen Kasernengebäude an der Tannenstraße in Düsseldorf wurden kernsaniert.

Die Fassade blieb nahezu unverändert. Die ehemaligen Kasernengebäude an der Tannenstraße in Düsseldorf wurden kernsaniert.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

So gab es auch um die Erdgeschosswohnung im alten „Westfalenhaus“ viele Mitbewerber. „Wir hatten 60 Interessenten“, berichtet die Eigentümerin. Menschen aus Hamburg und München, aber auch aus Amerika, Indien und China, die des Jobs wegen nach Düsseldorf gezogen waren, hätten die Wohnung gern gemietet. „Pures Glück“, meint Marco Littges, dass die Entscheidung zu seinen Gunsten getroffen wurde. Als er seinen Fuß zum ersten Mal über die Schwelle setzte, entfuhr ihm spontan: „Das ist meine Wohnung“, das Bekenntnis gefiel seinen künftigen Vermietern offenbar. Außerdem wollten sie dem jungen Vater helfen, er hatte gerade eine Trennung hinter sich und suchte kurzfristig für sich und seine beiden Söhne, die an drei Tagen der Woche bei ihm leben, ein Zuhause.

Dort hat sich Marco Littges nun auf 68 Quadratmetern eingerichtet: „Das ist nicht groß, aber reicht.“ Auch wegen der gelungenen Aufteilung, der originellen Details und der hohen Altbaudecken: So ist das Entree zwar klein, gibt aber gleich den Blick frei durch zwei schmale Kassettenfenster auf einen Balkon und zum ruhigen Innenhof. Der Wohnraum mit offener Küche ist Lebensmittelpunkt der Männer-WG mit großem Esstisch und Sofa, das Marco Littges mitten in den Raum gestellt hat (Rückenlehne zum Esstisch). Das hat den Vorteil: Wenn er es sich darauf bequem macht, schaut er nicht auf die Küchenzeile. „Ist alles ein bisschen eng, funktioniert aber.“

Der Satz gilt auch deshalb: Die Wohnung verfügt über ausreichend Stauraum, hier ein Kämmerchen, dort ein unauffälliger Einbauschrank, so verschwinden Dinge, die untergebracht werden müssen, von Kleidung bis Staubsauger. Bad und WC sind platzsparen durch eine Schiebetür getrennt, das Schlafzimmer liegt zwar zur (Ulmen-)Straßenseite, man sieht die Straßenbahnen vorüberfahren, „aber man hört sie nicht“ - dank Mehrfachverglasung. Im Kellergeschoss können die Mieter des Westfalenhauses die gemeinschaftliche Waschküche ebenso nutzen wie eine Tiefgarage. Seinen Platz hat Marco Littges untervermietet. „Ich habe gar kein Auto“, meint der passionierte Radfahrer. Und zum Job kann er zu Fuß gehen, auch mal schnell in der Mittagspause Zuhause essen - „ein Luxus“.

Auf dem Kasernengelände Düsseldorf sind denkmalgeschützte Häuser entstanden
Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)
Auf dem Kasernengelände Düsseldorf sind denkmalgeschützte Häuser entstanden
Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Wie würden wohl die Ulanen von einst reagieren, würden sie per Zeitreise 100 Jahre später in unseren Alltag katapultiert? Und miterleben wie Marco Littges von unterwegs schon mal die Espressomaschine vorheizt oder jetzt, wenn die Tage im Herbst wieder kühler werden, die Heizung einschaltet - per Handy. Oder dass seine Mitbewohnerin Alexa (wie könnte man ihnen die Funktion einer Sprachassistentin erklären?) auf Zuruf und wie durch Zauberhand das Licht anschaltet. Aber das ist dann auch schon das einzige Kommando, das heute auf dem alten Militärgelände zählt.

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