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Unsere Woche Nils D. und die Lehren, die gezogen werden müssen

Dinslaken · Warum Dinslaken wieder Schlagzeilen als Hochburg des gewaltbereiten Salafismus machen wird, und warum unter dieses Kapitel auch kein Schlussstrich gezogen werden kann.

Spätestens ab Mittwoch wird Dinslaken wieder einmal bundesweit Schlagzeilen machen - als Hort des gewalttätigen Salafismus. Und wieder werden viele Dinslakener stöhnend die Frage stellen, ob das denn nun wieder sein müsse. Die Lohberger Brigade, der Nils D., dem ab der kommenden Woche wegen seiner Zeit bei der Terrormiliz "Islamischer Staat" der Prozess gemacht wird, angehörte, gibt es nicht mehr. Etliche ihrer Mitglieder haben den Tod gefunden, zurzeit gibt es laut Staatsschutz keine gewaltbereite islamistsche Szene in Lohberg, die beunruhigen müsste. Da ist es durchaus verständlich, dass es Stimmen gibt, die endlich einen Schlussstrich unter das Kapitel "Dinslaken und gewaltbereiter Islamismus" ziehen möchten. Das freilich darf nicht sein.

Wenn es eine Lehre gibt, die aus allen bisherigen Erkenntnissen über die Entwicklung der Lohberger Brigade gezogen werden kann, dann die: Die Radikalisierung der jungen Männer hat sich unter den Augen vieler vollzogen, und sie konnte in ihrer ganzen schrecklichen Konsequenz auch deswegen so geschehen, weil allzu viele - speziell auch im Stadtteil Lohberg - weggeguckt, abgewiegelt und geschwiegen haben. Das darf nicht wieder passieren. Dinslaken hat, das ist nicht zu bestreiten, viel unternommen, um des Problems Herr zu werden, um Integration und gegenseitiges Verständnis zu befördern. Dass es aber auch in Dinslaken immer noch eine starke Fraktion eines zutiefst konservativen, in Teilen radikalen Islams gibt, lässt sich allerdings auch nicht wegdiskutieren, genau so wenig wie die Tatsache, dass es in Lohberg immer noch solche gibt, die mit den gewaltbereiten Salafisten zumindest sympathisieren.

Tatsache ist auch, dass die Ursachen, die es den islamistischen Rattenfängern so leicht gemacht haben, die jungen Männer der Lohberger Brigade zu infizieren, nicht beseitigt sind. Wer verhindern will, dass weiter junge Leute den Heilsversprechen falscher Propheten hinterherlaufen, der kann das am besten, indem er denen, die sich zu kurz gekommen fühlen, eine Perspektive in dieser Gesellschaft bietet. Auf diesem Feld bleibt bei allen Anstrengungen, die bereits unternommen worden sind, noch viel zu tun.

Dinslaken ist genauso viel und genauso wenig Hochburg des gewaltbereiten Salafismus wie andere Städte in diesem Land, aus denen junge Menschen sich der islamischen Terrormiliz angeschlossen haben. Das ist keine Frage, relativiert aber das, was hier geschehen ist, nicht. Es gilt auch in Zukunft wachsam zu sein gegenüber jedweder Form von Radikalisierung. Da ist es eine gute Nachricht, dass das Projekt "Wegweiser", bei dem es darum geht, junge Menschen vor dem Abdriften in die gewaltbereite Szene zu bewahren, demnächst seine Arbeit aufnimmt. Aber auch das ist nur ein Baustein von vielen. Integration ist niemals abgeschlossen, sondern ein fortwährender Prozess, in dem alle ihren Teil der Verantwortung zu tragen haben.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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