Voerde Eine starke Frau am Gewehr

Voerde · Zu ihrem 80. Geburtstag ernannte der Bürgerschützenverein (BSV) "Germania" Voerde Edith Rüß als erste Frau zum Ehrenmitglied des Vereins. 1987 war sie eine der ersten Frauen, die den Grünröcken beitreten durfte.

Wenn man schon seit fast 30 Jahren zum Schützenverein gehört und auch die gesamte Familie dort Mitglied ist, dann ist es eigentlich klar, dass man seinen 80. Geburtstag in der Schützenhalle feiert. Das jedenfalls hielt Edith Rüß so und war erstmal nicht überrascht, als sie und ihre Gäste draußen das Tambourkorps Voerde spielen hörten. "Es war der normale Probetag des Tambourkorps und ich dachte, sie würden nur üben", erklärt Edith Rüß. Als die Spielleute dann, begleitet von einer ganzen Schar von Schützen vor der Halle auftauchten, war das eine perfekte Überraschung für die Feiernde. "Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet", sagt sie. Ebenso wenig mit der Ernennung zum Ehrenmitglied ihres Schützenvereins, des BSV "Germania" Voerde. Denn Edith Rüß ist die erste Frau, der diese Ehre zuteil wird.

Doch schließlich war sie 1987 auch unter den ersten Frauen, die überhaupt dem Verein beitreten durften. "Wir haben sehr lange gekämpft, bis wir in den Verein durften", verrät sie. Gemeinsam mit mehreren anderen Frauen hatte sie sich dafür stark gemacht. "Damals fragten wir uns, warum nur unsere Männer Spaß haben sollten", erklärt die 80-Jährige. Zwar durften die Frauen auch schon vorher gemeinsam mit ihren Männern Hand ans Gewehr legen, aber eben keine Vereinsmitglieder werden. Schon seit den 70er Jahren war ihr Mann im Verein aktiv, und sie selbst wurde 1974 an der Seite von Adolf Löwe Schützenkönigin des BSV "Germania" Voerde.

An eine Mitgliedschaft im Verein war damals allerdings nicht zu denken. Es sollte bis zum Jahr 1987 dauern, bis die "Germanen" auch Frauen in ihren Reihen zuließen. "Wir haben damals auf dem Schützenfest so lange unseren Präsidenten Bernhard Köffer bearbeitet, bis er uns die Mitgliedsanträge rausrückte", erzählt Edith Rüß. Mit großer Mehrheit stimmte man auf der Jahreshauptversammlung für eine Satzungsänderung, die eine Aufnahme der Damen ermöglichte. "Dabei ist zu erwähnen, dass man diese Satzungsänderung bis heute nicht bereut hat", heißt es in der Chronik auf der Internetseite des Vereins. Allerdings sollte es noch bis ins Jahr 2008 dauern, bis Kornelia Neuhaus als erste Frau bei den Voerder Schützen den Vogel abschoss und sich selbst zur Königin krönte.

Vielleicht auch, weil Edith Rüß nicht viel Zeit für ihr Hobby hatte. Denn die Familie unterhält in Voerde das Geschäft "Elektro Rüss", das die 80-Jährige 1970 gemeinsam mit ihrem Mann übernommen hatte. Bis sie 75 wurde, war die gelernte Bankkauffrau immer in das Geschäft eingebunden und kümmerte sich vor allem um die Buchhaltung. "Ich war natürlich zu den Schützenfesten immer mit dabei", erzählt sie. "Und jetzt habe ich auch mehr Zeit für mein Hobby." Als Sportschützin betätigte sie sich allerdings nie, sondern legte meist nur zum Schützenfest Hand ans Gewehr, um sich einen der Vogelpreise zu sichern oder die bei Schützen begehrten Schnüre und Abzeichen für die Uniform zu sichern. "Dabei habe ich es durchaus geschafft, auch mal drei Zehnen nacheinander zu schießen", verrät sie. 1988 gelang ihr am Gewehr ein besonderer Erfolg, als sie beim Vogelschießen der Königinnen des Vereins den Rumpf des Holzadlers abschoss und sich zur "Königin der Königinnen" krönte. Im gleichen Jahr nahm sie auch als Ministerin erneut auf dem Thron Platz, wie auch im Jahr 2000, als ihr Ehemann Karl den Vogel der Voerder Schützen abschoss.

An Wettkämpfen im Sportschießen möchte das neue Ehrenmitglied des Vereins nicht teilnehmen, obwohl mehr Zeit fürs Hobby da wäre. "Das überlasse ich meinen Kindern. Die sind alle sehr aktiv im Verein", erklärt die 80-Jährige. Aber wenn es bei den Germanen etwas zu feiern gibt oder das Schützenfest vor der Tür steht, wird sie auch in Zukunft weiterhin mit dabei sein.

(fla)
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