Bundesweite Studie Fast jede Kita in NRW hat mit Personalmangel zu kämpfen

Düsseldorf · Sie gelten immer noch als „Basteltanten“ und werden dementsprechend bezahlt: Kitaleitungen genießen keine hohe Wertschätzung, obwohl sie enorme Verantwortung haben. Eine Befragung deutscher Kitaleiter offenbart eine krasse Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

 Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden (Symbolbild).

Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden (Symbolbild).

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Nur fünf Prozent aller Kitas in Deutschland können laut einer Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) mit der wissenschaftlich empfohlenen Personalausstattung arbeiten. Für die meisten ist Personalmangel dagegen Alltag. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von mehr als 2600 Kitaleitern in Deutschland hervor, die am Mittwoch beim Deutschen Kitaleitungskongress in Düsseldorf vorgestellt worden ist.

Die einst weltweit vorbildlichen deutschen Kindergärten würden „zunehmend bessere Verwahranstalten, die ihrem Bildungsauftrag trotz aller Anstrengungen nicht gerecht werden können“, kritisierte VBE-Chef Udo Beckmann. Der wissenschaftliche Standard empfehle, dass mindestens eine Fachkraft für drei unter dreijährige Kinder da sein sollte, erläuterte der Bildungsgewerkschafter. In NRW ist die Relation in dieser Altersgruppe sogar in über 98 Prozent der Fälle schlechter. Bei über Dreijährigen liegt der empfohlene Betreuungsschlüssel statistisch bei 1:7,5. Dies sei in der Praxis aber die absolute Ausnahme, berichtete Beckmann.

Bundesweit gaben 90 Prozent der befragten Kitaleiter an, dass sie im vergangenen Jahr zeitweise mit erheblicher Personalunterdeckung gearbeitet hätten - in NRW sogar rund 95 Prozent. Fast alle betroffenen Einrichtungen mussten infolgedessen Angebote für die Kinder vorübergehend reduzieren.

Die Ergebnisse der zum fünften Mal infolge erhobenen Umfrage zeigten bislang „keine spürbaren Verbesserungen in der täglichen Arbeitssituation“, heißt es im Fazit der Studie. „Wie dramatisch die Situation ist, wird auch daran deutlich, dass viele Kitas regelmäßig mit so wenig Personal auskommen müssen, dass eine ordnungsgemäße Aufsichtsführung überhaupt nicht mehr möglich ist.“ Nötig seien Sofortmaßnahmen, um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten und das Haftungsrisiko für Kitaleitungen und Träger zu minimieren, forderte Beckmann.

Etwa 70 Prozent der Kitaleitungen brauchen angesichts der Personalknappheit mindestens drei Monate zur Nachbesetzung offener Stellen. In Großstädten benötigen 40 Prozent der Befragten im Schnitt sogar länger als fünf Monate.

Die meisten Kitaleiter leiden unter mangelnder Wertschätzung und schlechter Bezahlung ihrer Arbeit sowie zunehmender Bürokratie. Fast 77 Prozent der Befragten sehen sich noch mit dem Vorurteil konfrontiert: „Wir spielen, basteln und betreuen die Kinder nur.“ Das sind sogar etwas mehr als ein Jahr zuvor. Genervt äußern sich darüber vor allem Jüngere. Zwei Drittel aller Befragten bemängeln darüber hinaus eine Unterbezahlung pädagogischer Fachkräfte. In privaten Einrichtungen und in kleineren Gemeinden fällt die Bewertung besser aus.

Bislang blieben die meisten politischen Maßnahmen gegen die strukturelle Unterfinanzierung des gesamten Kita-Bereichs mit seinen mehr als 600.000 Beschäftigten nur „Tropfen auf dem heißen Stein“, bilanzieren die Autoren der Studie. Erstellt wurde sie vom VBE und einem Informationsdienstleister unter wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule Koblenz.

(mba/dpa)
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