Ansteckend neu: Ensemble Resonanz

"Was gibt es Schöneres als durch Musik erregte Sinneszellen", sinnierte Komponist Nikolaus Brass vor dem "Supernova"-Konzert. Doch das Publikum im Robert-Schumann-Saal empfing nicht nur die akustischen Reize eines fremden Klangkosmos, sondern konnte zugleich Zeuge zweier Uraufführungen werden: "Strahl" von Brass und "Branenwelten 1 und 2" von Robert HP Platz. Als Dirigent lotste Platz die jungen, agilen Streicher des Ensemble Resonanz souverän durch die komplexen Strukturen neuester Musik; in Enno Poppes "Wald" musste er gar vier simultan spielende Streichquartette im Auge behalten. Und auch die US-amerikanische Flötistin Carin Levine begeisterte durch höchste Vitalität und eine ansteckende Gestaltungslust experimenteller Klänge.

Eröffnet wurde der Abend mit "O-ho-i" von Giacinto Scelsi, einer mikrotonalen, in sich geschlossenen Klangmasse für 16 Streicher. Unnachgiebig ließ das Ensemble die Masse an Substanz zunehmen, zeitweise drang sie wie ein Bienenschwarm in die Gehörgänge ein. Bevor sie aber in ekstatische Sphären vorstieß, riss der Klang wirkungsvoll ab, der Hörer verlor den Boden unter den Füßen – grandios!

"Strahl" für Querflöte und 11 Streicher suchte nach dem Organischen in der Musik, dass "Musik im Idealfall selbstständig wächst, lebt und stirbt", so Brass. Mit ihrer Querflöte erzeugte Levine raffinierte Multiphonics: Sie pfiff, summte und sang in ihre Flöte und ließ mehrere Töne gleichzeitig entstehen. In "Branenwelten" ergaben sich polyphone Verflechtungen, ein scheinbares Nebeneinander, das stellenweise homogen verschmolz; eine Performance, die beeindruckend vom Individuum im Kollektiv erzählte. PHILIPP MARQUARDT

(RP)
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