Urlaub auf Schiermonnikoog Wo Rastlose zur Ruhe kommen

Schiermonnikoog · Schiermonnikoog ist die kleinste der niederländischen Wattinseln. Nur rund 940 Menschen leben hier. Auf die Besucher warten die breitesten Strände Europas, jede Menge Vögel und Entspannung, denn Autofahren ist weitgehend verboten.

Schiermonnikoog - Insel der Ruhe
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Schiermonnikoog - Insel der Ruhe

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Thijs de Boer kennt das Phänomen: Zu Tausenden fallen die Besucher auf Schiermonnikoog ein. Zweimal pro Jahr. Wochenlang herrschen dann tumultartige Zustände auf dem kleinen Eiland. Für den Mann mit dem wettergegerbten Gesicht wird es nun höchste Zeit, sich auf die Lauer zu legen. Er will Art und Anzahl der Eindringlinge sondieren.

Es ist früher Morgen, als de Boer mit Fahrrad und Fernglas ausrückt. Der Wind bläst hart aus Nordwest. Während der Sonnenaufgang den Himmel melodramatisch einfärbt, ist der hagere Mann darauf fixiert, größere Populationen jener Zugvögel zu erspähen, die ab Mitte September auf der kleinsten bewohnten Nordseeinsel der Niederlande eine Flugpause einlegen.

Seinen ersten Zwischenstopp legt de Boer heute am Westerplas ein. Zwar fürchtet er, dass die lustigen Löffler mit ihren langen Schnäbeln ihr Sommerdomizil an dem Süßwassersee bereits verlassen haben. Dafür aber liege es im Bereich des Möglichen, dass sich der Große Brachvogel blicken lasse - und der verfüge über ein nicht weniger kurioses Utensil zur Nahrungsaufnahme. Knutt, Zwergmöwe und Basstölpel hofft der pensionierte Lehrer dann bei seinem zweiten Halt in den Dünen anzutreffen.

Natur ohne Zäune

Obwohl die Insel nur 16 mal 4 Kilometer misst, ist im Nordwesten von Schiermonnikoog kein Ende der sandigen Hügellandschaft in Sicht. Nicht ohne Sinn für Übertreibung haben die Niederländer den welligen Pfad hinunter zum Meer "Bergweg" getauft. Anders als auf den übrigen Watteninseln ist der Pfad nicht eingezäunt: Auf Schiermonnikoog haben Hobbyornithologen und Wanderer freien Zugang zu den sensiblen Biotopen. Eine Freiheit, die möglich ist, weil auf der Insel nur im Luftraum Betrieb herrscht - die Einwohnerzahl hingegen beläuft sich auf weniger als 1000. Auch Menge und Bewegungsradius der Besucher sind nicht einmal in der Hochsaison groß genug, um für Flora und Fauna eine Gefahr darzustellen.

Während sich die Dünen verschwenderisch weitläufig geben, ist vom Strand kaum etwas zu sehen. An ruhigen Tagen ist er mancherorts bis zu einem Kilometer breit. Dann rühmt er sich, einer der breitesten in Europa zu sein. Heute aber ist das anders: Kumulus- und Zirruswolken ringen um die Vorherrschaft am Himmel. Bis zum Horizont brechen bedrohlich wirkende Wellen. Und der Wind treibt das Wasser so weit ans Land, dass der zitronengelbe, auf Stelzen stehende Pavillon am Ende des Badwegs nur noch mit dem Boot erreichbar ist. "Schicksal des Inselbewohners", kommentiert Thijs de Boer lakonisch. Wenn Windstärke und Wasserstand dies nicht zulassen, sei es schließlich keine Seltenheit, dass auch die Fähren zum Festland nicht verkehren. "Wir wissen also, was es heißt, vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein."

Eine Insel, ein Dorf

An den Tagen der Isolation bleibt den Bewohnern des einzigen Inseldorfes das "Van der Werff". Mit seinen weißen Fassaden strahlt das Hotel eine Würde aus, die an mondäne Badeorte längst vergangener Epochen denken lässt. Tatsächlich reicht die Geschichte des Hauses bis ins Jahr 1726 zurück. Seinerzeit fungierte es als Kombination aus Rathaus, Post und Gericht. Heute ist der angenehm altmodische Salon so etwas wie der Mittelpunkt des sozialen Lebens von Schiermonnikoog. Wenn es Einheimischen nach Konversation verlangt, kommen sie hierhin.

Schwarzweißfotos, holzgetäfelte Wände und samtbezogene Sessel prägen die nostalgische Aura des Salons, der über die Jahrzehnte hinweg eine fast schon Stolz ausstrahlende Patina angelegt hat. Den Geschichten, die hier erzählt werden, bekommt dieses Umfeld. Auch Seemannsgarn ist den Inselbohemiens nicht fremd.

Davon hat Auke Talsma reichlich auf Lager. Als einer der letzten Insulaner übte er bis in die 70er Jahre den Traditionsberuf des Walfischers aus. Obwohl der Naturmensch heute vorzugsweise Hecke und Hortensien im Garten seines Häuschens pflegt, sieht er auch im Alter von 72 Jahren noch wie ein Vorzeigeseebär aus. Sein Domizil befindet sich zwischen Middenstreek und Voorstreek, den beiden schönsten Straßen des Ortes. Hier scheinen die Sommermonate im Zeichen eines inoffiziellen Wettbewerbs um die opulenteste Vegetation zu stehen. Die Anordnung ausdrucksstarker Farben liegt Talsma: Als Mitglied des Künstlerklubs "De Kwast" bannt er seine Erinnerungen auf Leinwand. Ein Leben zwischen Insel und Meer.

So hält es auch Thijs de Boer. Auf die Frage, was er sonst so mache auf dieser Insel, wo die Hauptattraktion darin liege, dass es außer der Natur keine Attraktionen gibt, auf diese Frage also antwortet de Boer, dass er und seine Frau Annelies ein kleines Muschelmuseum aufgebaut haben. Rund 1500 Exponate sind hier zu sehen. Fundstücke, die das Paar aufgelesen hat. Bei Exkursionen, die nie langweilig werden. Vor allem dann nicht, wenn sich die Zugvögel auf der Nordseeinsel von den Strapazen ihrer Reise erholen.

Infos Schiermonnikoog

Anreise: Die Fähre ab Lauwersoog verkehrt in den Sommermonaten siebenmal täglich, im Winter viermal (sonntags vier- respektive dreimal). Die Fahrtzeit beträgt 45 Minuten. Tickets kosten in der Hochsaison 13,15 Euro pro Person (Kinder von vier bis elf Jahren 7,25 Euro). Der Transport von Pkws ist nicht vorgesehen, da Schiermonnikoog eine autofreie Insel ist. Nur Einheimische haben das Recht, ihren Wagen zu nutzen.

Flora und Fauna: Schiermonnikoog und das Wattenmeer sind seit 1989 Nationalpark, das gesamte Wattenmeer von den Niederlanden bis hoch nach Dänemark steht seit 2009 auf der Liste des Unesco-Weltnaturerbes. Das Besucherzentrum informiert ausführlich über Flora und Fauna der Insel. Hier sind auch deutschsprachige Broschüren erhältlich. Die Webseite des Nationalparks informiert über die auf der Insel vorkommenden Vögel (nur auf Niederländisch). Die besten Monate zur Vogelbeobachtung sind März/April und September/Oktober. Besucherzentrum, Torenstreek 20, 9166 ZP Schiermonnikoog, Tel.: 0031/519-531641, Internet: www.nationale-parken.nl/schiermonnikoog/pagd00.html

Muschelmuseum: Das Muschelmuseum "Paal 14" von Thijs und Annelies de Boer ist meistens von 15 bis 17 Uhr und von 20 bis 22 Uhr geöffnet, abweichende Zeiten werden auf einer Tafel vermeldet (Paal 14, Martjeland 14, 9166 LR Schiermonnikoog, Tel.: 0031/519-531663)

Unterkünfte und weitere Informationen im Internet. Hier können auch Wanderungen durch das Weltnaturerbe Wattenmeer gebucht werden: www.niederlande.de, www.nordseeinseln-holland.de.

(DDP/mais)
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