Kommissar Kluftinger auf der Spur

Die Hauptfigur aus den Krimis von Volker Klüpfel und Michael Kobr wird auf den Touren durchs Allgäu zum Botschafter der Region. Unser Autor ist Fan der Reihe und hat sich vor Ort auf Spurensuche begeben.

Priml!, wird sich Kluftinger denken. Nicht nur, dass diese Touristen sein geliebtes Schloss Neuschwanstein jeden Tag überfallartig besetzen. Jetzt rücken sie ihm selbst auch noch auf den Pelz und fahren zu den Tatorten seiner Fälle in Buxheim, Memmingen und Bad Grönenbach. Schauen sich sein Wohnhaus in Altusried von außen an. Priml!, was so viel bedeutet wie ein ironisches: "Na prima".

Der Allgäu-Tourismus hat meinen Lieblingskommissar als Werbebotschafter entdeckt. Bei einer geführten Tagesfahrt geht es auf Spurensuche. Als Fan von Heimatkrimis allgemein und von Kluftinger im Besonderen lasse ich mir das nicht zweimal sagen und versuche, der Figur und seiner Heimat näherzukommen.

In einer kleinen Gruppe geht es unter anderem zum Alatsee bei Füssen. In seinen Tiefen haben sich Dramen abgespielt. "In einem Radius von beinahe zwei Metern um den Körper hatte sich der Schnee dunkelrot verfärbt. Offensichtlich lag der Mann in einer unvorstellbar großen Blutlache." Nein, der Kommissar irrt. Es ist kein Blut, sondern eine Mischung aus Algen und Bakterien, die Taucher in der Tiefe des Sees orientierungslos in Panik und damit ins Verderben stürzen - im Roman und in der Realität. Doch wie sich jetzt die Wellen in der Sonne dahinsäuseln, wirkt der See keineswegs so mystisch-gefährlich wie im Buch "Seegrund" beschrieben. Stattdessen trifft der Besucher auf eine sonntägliche Idylle mit Anglern, Spaziergängern und Schwimmern. Friedlichste Allgäu-Atmosphäre eben, ringsherum eingebettet in einer lieblichen Hügelkette.

Für meinen Geschmack sind Kluftinger-Bücher weniger Mord(s)geschichten, sondern mehr Gemälde des Allgäu und seiner Menschen. In Gschnaidt etwa steht eine Kapelle auf einer Lichtung, im Halbkreis von rund 1500 Holzkreuzen mit Namen und Fotos von Verstorbenen umgeben. Kluftinger "bemerkte die Grablichter, die hier zwischen Tausenden von alten Holzkreuzen brannten. Der feuchte Waldboden verströmte den modrigen Geruch von Tod und Verwesung. Oder bildete er sich das nur ein?" In der Tat bringen Angehörige Kreuze hierher, nachdem diese auf frischen Gräbern durch ein Metallkreuz ersetzt wurden. "So etwas gibt es nur bei uns", sagt die Wirtin vom benachbarten Gasthaus.

Einige Kilometer weiter in Buxheim lebten einst in der sagenumwobenen Kartause Mönche in einer Mischung aus Eremitendasein und Gemeinschaft nach strengen Regeln. Die heutigen Führungen durch die Kreuzgänge erlauben auch Blicke in die etwa 80 Quadratmeter großen Wohnungen der Mönche, die alle einen kleinen Privatgarten hatten. Nur wer das Chorgestühl in der Kirche selbst gesehen hat, kann seine Einzigartigkeit verstehen, "die aufwändigste, gewaltigste und doch filigranste Holzarbeit, die Kluftinger je gesehen hat".

Beim Sightseeing-Programm steht auch ein Blick auf ein Etablissement an der Carl-Hirnbein-Straße in Kempten an. Die Lage ist sehr exponiert: vis-à-vis der Polizeiinspektion. Doch kein roter Glamour an der Front, nur ein "Open" blinkt dezent am Seiteneingang. Vielleicht ist es abends ja anders. Jetzt zur Mittagszeit sieht es wie ein ganz normales Wohnhaus aus. Keine Uschi blickt nach draußen, so wie sie Klufti von seinem Bürofenster aus erblickt hat: "Von gegenüber winkte ihm freundlich eine üppige Wasserstoffblondine zu."

Keinesfalls fehlen dürfen bei der Tour die Kässpatzen, jenes Leibgericht, dass Gattin Erika jeden Montag für ihr "Butzele" zubereitet. Jedes Restaurant hat sein eigenes Rezept, Bürgermeister Alois Ried aus Oftenschwang setzt sein Credo um: Käse aus eigener Gemeindeherstellung, 20 Monate gereift, und viel, viel Butter für die angebratenen Zwiebeln. Und natürlich den Teig selbst geschabt. Nichts für Gesundheitsapostel, aber herrlich im Geschmack.

Fazit des Kluftinger-Fans nach zwei Tagen kreuz und quer durchs Allgäu: Priml! Im Sinne des besten Preußisch-Hochdeutsch, ganz ohne Ironie.

(RP)
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