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Krebs Debatte um Prostata-OPs

Düsseldorf/Berlin · Laut einer aktuellen Umfrage der Barmer GEK sind viele Männer unzufrieden mit der Behandlung bei Prostatakrebs: Die Entfernung der Vorsteherdrüse verursache oft Komplikationen. Auch Ärzte fürchten, dass zu oft operiert wird.

Zehn Fakten zu Prostata-Krebs
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Foto: Werner Gabriel, RP

Wenn es nach den Erkenntnissen des aktuellen Barmer-Krankenhausreports geht, sollten Männer ohne Sorgen vor Prostatakrebs alt werden. Sie sollten einen Bogen um regelmäßige Tests machen und sich das krebsbefallene Organ nicht entfernen lassen. "Der Mann stirbt nicht an, sondern mit Prostata-Krebs", lautet die zentrale Botschaft von Eva Maria Blitzer vom Hannoveraner Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, nachdem sie Behandlungsdaten ausgewertet und 825 Prostata-Patienten befragt hat.

Viele Fehlalarme

Der gängige PSA-Test führe zwar zur Entdeckung von mehr Krebserkrankungen, er produziere aber auch viele Fehlalarme. Als Folge unterzögen sich die betroffenen Männer teils aufwendigen Behandlungen, an deren Ende die Lebensqualität deutlich stärker gesunken sei, als wenn die Entwicklung der Prostatavergrößerung lediglich sorgsam überwacht worden wäre.

Ein Jahr nach Beginn der Prostatabehandlungen berichten 70 Prozent der Männer von erheblichen sexuellen Störungen. Viele (16 Prozent) würden auch inkontinent. Jeder Fünfte bestätigt operationsbedingte Komplikationen wie Blutungen oder Darmverletzungen.

Kritisch sieht Peter Albers, Direktor der Urologischen Klinik an der Universität Düsseldorf, die Ergebnisse der Barmer-Studie: "Diese isolierte Fallsammlung ist nur schwer interpretierbar." Immerhin leide etwa die Hälfte aller Männer im Alter an Erektionsstörungen. Auch Inkontinenz sei ab einem gewissen Alter nicht selten.

Er zieht deswegen eine aktuelle Studie des Amerikaners Timothy Wilt heran: "Hier wurden Patienten mit Prostatakrebs in zwei Gruppen unterteilt. Die einen wurden operiert, die anderen beobachtet." Bei der ersten Gruppe klagten 17 Prozent über Inkontinenz, bei denjenigen, die von Ärzten regelmäßig untersucht wurden, entwickelten immerhin sechs Prozent die Blasenschwäche.

Dennoch ist er grundsätzlich der Meinung, dass Ärzte gut überlegen sollten, bevor sie Krebspatienten operieren. "Wenn man jemanden hat, der einen Krebs mit guter Prognose hat, dann tut man ihm keinen Gefallen, wenn man operiert", so Albers. Das Problem: Krankenkassen zahlen den Krankenhäusern nur Geld für aktive Therapien. "Die Empfehlung, nicht zu behandeln und abzuwarten, bringt kein Geld", sagt Albers. Eine objektive Beratung sei daher kaum möglich.

Mehr Patienten

Der Barmer-Report zeigt zudem, dass die Zahl der Prostatabehandlungen gestiegen ist. 1994 waren es noch 14,7 Patienten unter 10.000 Männern, 2010 bereits 20,9 — ein Anstieg also um 40 Prozent. Zwischenzeitlich hatte die Zahl der Patienten absolut sogar von 58.720 auf 89.424 Fälle zugenommen. Blitzer stellte aber fest, dass der Anstieg "allein auf die veränderte Altersstruktur zurückzuführen ist". Rechnet man die Altersentwicklung der Versicherten heraus, ist man aktuell wieder bei derselben Zahl von 14,7 Prozent wie vor acht Jahren.

Die häufigste Behandlungsform stellt laut dem Report die vollständige Entfernung der Prostata im Krankenhaus dar. Dabei verzeichnen die Krankenkassen einen aus Sicht der Patienten erfreulichen Trend: Immer mehr Operateure gehen gefäß- und nervenerhaltend vor. Der Anteil der schonenden Entnahme stieg von 30 auf 55 Prozent. 365 Millionen Euro wenden die gesetzlichen Kassen jährlich für die stationäre Behandlung von Prostatakrebspatienten auf.

Grundsätzlich sehen Ärzte die Operation weiterhin als wichtiges Behandlungsinstrument: "Rechtzeitiges Operieren verbessert die allgemeinen Überlebenschancen sowie die Chancen auf ein metastasen- und therapiefreies Überleben", sagt der Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Helios Klinikum Krefeld, Martin Friedrich. Vorausgesetzt, es handelt sich um Patienten, die für die OP geeignet sind — sprich nicht zu alt, mit einem aggressiven Tumor — und der Eingriff von einem Experten vorgenommen wird.

Die Schlussfolgerung, die Blitzer aus dem neuen Barmer-Report zieht, deckt sich mit den Daten des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). "80 Prozent aller Männer haben zwar ein Prostatakarzinom, wenn sie sterben", sagt Stefanie Seltmann, Sprecherin des DKFZ. Doch in den wenigsten Fällen sei der Krebs auch die Todesursache.

(RP/anch/rm)
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