Bewerbung „Wir suchen Dich!“

Aus Stellenausschreibungen können Bewerber viele Informationen herauslesen – und für ihr Anschreiben nutzen. Doch wie sollten sie reagieren, wenn Firmen in der Ausschreibung ihre Adressaten duzen?

 Wer in der Stellenausschreibung geduzt wird, darf im Anschreiben zurückduzen. Ein Muss ist das aber nicht.

Wer in der Stellenausschreibung geduzt wird, darf im Anschreiben zurückduzen. Ein Muss ist das aber nicht.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Die Arbeitswelt wird zunehmend digitaler und internationaler. Längst duzen nicht mehr nur Start-ups ihre Bewerber, auch viele etablierte Unternehmen sprechen sie in Stellenausschreibungen mit Du an. Beliebte Formulierungen sind etwa „Wir suchen Dich“, „Deine Aufgaben sind“ oder „Wenn Du in einem dynamischen Team arbeiten willst, bewirb Dich jetzt“.

„Viele Bewerber reagieren darauf erst mal verunsichert“, sagt Volker Klärchen, der als Karriere-Coach Klienten beim Bewerbungsprozess unterstützt. „Sie fragen sich zum Teil mit Mitte 30 schon, ob sie für diese Firma zu alt sind.“ Kein Wunder, lange war eine formale Ansprache mit „Sie“ in Bewerbungen üblich.

Das „Du“ zielt aber nicht automatisch auf junge Mitarbeiter ab. „Daher sollten sich auch erfahrene Bewerber von einer Du-Ansprache in der Ausschreibung nicht abschrecken lassen“, rät Jennifer Gebhardt vom Personaldienstleister Hays. Im Gegenteil: „Oft geht es darum, Zugehörigkeit zu erzeugen und Offenheit zu signalisieren“, sagt sie. Bei manchen Firmen gehöre das einfach zur Unternehmenskultur. „Da duzen sich vom Vorstand bis zum Praktikanten dann alle.“ Manche Firmen würden das aber auch aus Imagegründen machen, ergänzt Volker Klärchen. „Sie wollen dann nicht so steif, sondern jung und locker wirken.“

Und sie wollen damit Bewerber anlocken. „In einer Ausschreibung macht ein Unternehmen Werbung für sich“, sagt Vanessa Thalhammer, Pressesprecherin bei der Bundesagentur für Arbeit. „Die Beschreibungen zur Tätigkeit und zum Unternehmen, aber auch die Ansprache entscheiden darüber, ob sich Bewerber überhaupt intensiver über das Unternehmen informieren.“

Im Normalfall sollte man in der schriftlichen Bewerbung Ansprechpartner allerdings mit „Sie“ anschreiben, so der Rat von Thalhammer. So erfülle man die offiziellen Formalien einer Bewerbung und gehe sicher, dass die Ansprache von allen als angemessen empfunden werde. „Eine Ansprache mit Du empfehlen wir nur, wenn der Bewerber sich ganz sicher ist, dass sich die Mitarbeiter in dem Unternehmen über alle Hierarchieebenen hinweg mit Du ansprechen.“ Das wisse er etwa durch ein bereits absolviertes Praktikum im Betrieb vor der Bewerbung oder wenn der Ansprechpartner persönlich bekannt ist.

Diese Einschätzung teilt Klärchen nicht ganz: „Sobald die Firma einen duzt, darf man auch duzen.“ Aber das ist kein Muss. Es sei völlig in Ordnung, etwa künftige Vorgesetzte im Anschreiben zu siezen. Wichtig sei nur, dass die Bewerber die Ansprache wählen, mit der sie sich wohlfühlen. Spätestens im Bewerbungsgespräch würde das sonst komisch auffallen. „Sie sollten authentisch bleiben“, sagt Klärchen.

Dass eine Ansprache mit „Sie“ unsympathisch rüberkommen könnte, müsse man laut Jennifer Gebhardt nämlich nicht befürchten. Das sei kein Ablehnungsgrund. Entscheidender sei ohnehin, dass Rechtschreibung und Grammatik im Bewerbungsschreiben stimmen. Und: „Der Ton sollte auch bei einer Du-Ansprache auf einer professionellen Ebene bleiben“, sagt sie. Noch wichtiger sei Individualität, so die Expertin. Die Bewerbung muss auf die Stelle und die Firma zugeschnitten sein und das Anschreiben nicht eins zu eins den Lebenslauf wiedergeben. „Schildern Sie Ihre Motivation, warum Sie auf den Job Lust haben. Erklären Sie, woher Sie Ihre Fähigkeiten und Begeisterung für die Tätigkeit haben“, erklärt Gebhardt.

Auch Volker Klärchen ermutigt: „Es geht darum, dass man seine Persönlichkeit gut darstellt und eine Botschaft transportiert.“ Wichtiger als die Form ist im Anschreiben seiner Meinung nach der Inhalt. Bewerber sollten sich so zeigen, wie sie sind. So ziehe man Firmen an, die einen wollen und filtere selbst unpassende Stellen früh aus.

Kommt eine Einladung zum Bewerbungsgespräch, rät Klärchen: „Sie oder Du – sprechen Sie diesen Punkt am besten gleich am Anfang an.“ Sonst frage man sich ständig, ob man das Gegenüber nun duzen oder siezen soll und ist vom eigentlichen Inhalt abgelenkt.

„Nachfragen ist legitim“, sagt auch Vanessa Gebhardt, die unter anderem Absolventen bei Bewerbungen berät. Man könne sagen: „Sie haben in der Stellenanzeige die Du-Form gewählt. Jetzt wollte ich mich höflicherweise erkundigen, ob wir uns heute auch duzen wollen.“ Oft würden sich die Ansprechpartner ohnehin zuerst vorstellen, dann erledige sich dieser Punkt meist von alleine.

Wer nicht geduzt werden möchte und überlegt, sich wegen der Du-Ansprache nicht zu bewerben, sollte erst einmal das Gespräch suchen. „Selten wird mit den Personen zusammengearbeitet, die die Stellenanzeige formuliert haben“, gibt Klärchen zu bedenken. Es könne sein, dass sich im Alltag direkte Kollegen siezen.

Wird das „Du“ als Teil der Unternehmenskultur im Alltag praktiziert, sollten Kandidaten vor der Vertragsunterzeichnung in sich gehen: „Bewerber, die grundsätzlich nicht mit Du angesprochen werden und andere nicht duzen möchten, sollten überlegen, ob sie die erwünschte Unternehmenskultur teilen können“, sagt Vanessa Thalhammer.

In englischsprachigen Ländern und Firmen haben es Mitarbeiter da schlicht einfacher: Alle Mitarbeiter sprechen sich mit „you“ an – und das heißt sowohl „Du“ als auch „Sie“.

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