Theater für Migranten

Interview Festival-Chefin Aenne Quiñones

Dortmund Bereits seit 1985 veranstalten die freien Theater alle zwei Jahre in Dortmund ein Festival, in dem ausgesuchte Produktionen aus NRW zum Wettbewerb antreten. Angeregt von einem bissigen Text von Karl Valentin taufte sich das Festival "Theaterzwang", seit 2008 heißt es "Favoriten". Die Jubiläumsausgabe zum 25-jährigen Bestehen startete jetzt. Das Düsseldorfer FFT ist mit drei Koproduktionen vertreten. Erstmals obliegt die künstlerische Leitung der "Favoriten" der Dramaturgin Aenne Quiñones, die an der Berliner Volksbühne auch mit René Pollesch zusammenarbeitet.

Welche künstlerische Ausrichtung geben Sie dem Festival?

Quiñones Erstmal knüpfe ich an die Tradition und die ursprünglich politische Idee des Festivals an und will die Neudefinierung meiner Vorgängerin Bettina Milz fortsetzen. Ich glaube, dass sich das Theater immer wieder neu erfinden muss. Inhaltlich habe ich versucht, den Fokus auf bestimmte Themen zu setzen und neue Orte für das Theater zu erschließen. Die Auswahl ist subjektiv, die nicht alles abbildet, was es hier gibt.

Was ist das besondere an der Theaterlandschaft hier in NRW?

Quiñones Zunächst einmal die unglaubliche Dichte und Vielfalt, das finden Sie in keinem anderen Bundesland. Und dann die Kontinuität, mit der hier seit langem gearbeitet wird, die vielen Projekte mit Jugendlichen – wie Ingo Tobens Theater mit Hauptschülern in Düsseldorf – und nicht zuletzt die Qualität!

Wohin geht aus Ihrer Sicht die Reise bei den freien Theatern?

Quiñones Es gibt eine Entwicklung, die in den 90er Jahren begonnen hat und die auch innovativ auf die Stadttheater abstrahlt: Das ist vor allem die kollektive Arbeitsweise der Freien, auch in Form einer neu und erweitert verstandenen Autorschaft. Stilprägend waren in den letzten Jahren die Gruppen.

Gibt es die Abgrenzung von Stadttheaterästhetik und Off denn noch?

Quiñones Es gibt zwar zunehmend Überschneidungen, trotzdem bleiben die Arbeitsweisen grundsätzlich unterschiedlich. Gerade beim Thema Autorschaft.

Ist das der wesentliche Unterschied?

Quiñones Das Selbstverständnis ist unterschiedlich: Die Off-Szene bedient das literarische Theater eher nicht, das tut das Stadttheater. Und die Trennung von Darsteller und Autor ist im Off-Theater weitgehend aufgehoben.

Beim Festival spielt das Thema Migration eine wichtige Rolle. Kommen denn auch Migranten ins Theater?

Quiñones Ich weiß, Migration ist vielerorts ein Thema im Theater, aber dann gehen meistens keine Migranten hin. Bei uns ist das anders, denn wir haben uns in der Stadt gut vernetzt mit bestehenden Institutionen wie dem interkulturellen Zentrum. Bei uns stehen Migranten auf der Bühne, dann kommen natürlich Freunde und Familien ins Theater.

(Rheinische Post)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort