Düsseldorf Grandioses Album von The XX

Düsseldorf · Man hatte ein bisschen Angst vor der neuen Platte dieser schwarz gekleideten Kinder, die aussehen, als hätten sie noch nie Orangensaft getrunken. Das Debüt-Album des Trios The XX aus dem Jahr 2009 klang neu, es war aufregend, und trotz seiner Kälte griff es ans Herz. Da waren eine Gitarre und der verhuschte Klagegesang, und zwischen den Noten leuchtete es silbern: magischer Minimalismus. Diese Musik ist schlichtweg perfekt, und vielleicht hat es seit "Unknown Pleasures", der ersten LP von Joy Division aus dem Jahr 1979, keine Popband mehr gegeben, deren Premiere derart hochwertig gewesen wäre.

Was die Anfang-20-Jährigen darauf folgen lassen würden, fragte man sich also, und ob das wohl gutgehen werde mit den melancholischen Phlegmatikern und dem Erfolg. Shakira coverte ein Lied von ihnen, bei den Olympischen Spielen in London marschierten die Athleten zu Takten aus einem Song von The XX ein: Würde ihnen alles zu viel werden?

Das zweite Album erscheint am Freitag, "Coexist" heißt es, und obwohl die Verblüffung fort ist, die einem beim erstmaligen Hören des Vorgängers den Atem nahm, ist das eine grandiose Veröffentlichung. The XX klingt elektronischer, die Gitarren werden nur mehr für einzelne markante Akkorde benötigt. Orientierte sich die Band vor drei Jahren an New Wave und Post-Punk, an The Cure und den Young Marble Giants, schreiten sie nun Richtung Gegenwart aus. Jamie XX, der für die Rhythmik zuständig ist und sich einen Namen als DJ und Remixer etwa von Adeles Hit "Rolling In The Deep" gemacht hat, legt träge Beats unter den Gesang von Oliver Sim und Romy Madley Croft. Jeder Ton wird durch gewaltige Hallräume geschickt, ein markerschütternder Bass ist zum Stilmittel geworden.

Die Stücke sind präzise gebaut, das ist eine kluge Platte, und "Coexist" erinnert nicht nur in diesem Punkt an James Blake, Londons anderen großen und blutjungen Pop-Erneuerer: Auch The XX macht rätselhafte Musik, geschult an der düsteren Unwucht des Dubstep, einer relativ neuen Spielart der Clubkultur. Ihr Geheimnis birgt sie in den Pausen der zerklüfteten Kompositionen, in der vibrierenden Stille. The XX bringt das Erhabene zum Klingen.

(RP)
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