Im Alter von 85 Jahren: Filmemacher Michael Verhoeven gestorben
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Neu im Kino: Innen Leben Im Krieg ist das Zuhause ein Verlies

"Innen Leben" porträtiert eindrücklich Menschen im syrischen Bürgerkrieg.

 "Innen Leben" porträtiert Menschen im syrischen Bürgerkrieg.

"Innen Leben" porträtiert Menschen im syrischen Bürgerkrieg.

Foto: dpa, kde

Bevor man ihn sieht, hört man ihn - den Krieg. Er klingt nach Hubschraubern, Schüssen, Explosionen. Dann in ein bläuliches Licht getauchte Bilder einer zerstörten Straße, von Schutt und Trümmern. Schließlich blickt die Kamera in eine Wohnung, in der sich eine syrische Familie verbarrikadiert hat. Eine eindringliche Anfangssequenz. Der Spielfilm "Innen Leben" des Belgiers Philippe van Leeuw (Regie und Drehbuch) erzählt vom Überlebenskampf der Bewohner, für die ihr Zuhause der letzte sichere Ort und gleichzeitig ein Gefängnis ist. Ein Kammerspiel, das einen so schnell nicht wieder loslässt.

Mitten im Bürgerkrieg in Syrien versucht die Hausherrin (Hiam Abbas), eine Art Alltag aufrechtzuerhalten. Mittags trifft man sich am Esstisch, der Enkel lernt mit dem Opa und bringt ihm einen Tee. Das Dienstmädchen soll das Bad putzen und Wasser organisieren. In einem der Zimmer sitzen Halima und ihr Mann Samir mit ihrem Baby, sie wollen das Land verlassen. Samir muss noch einiges organisieren. Draußen trifft ihn ein Schuss, er bleibt liegen, wie die Hausangestellte Delhani beobachtet und der Madame erzählt. Die verdonnert sie zum Schweigen. Sie findet es zu gefährlich, aus dem Haus zu gehen.

"Innen Leben" zeigt Menschen in einer extremen Situation. Nichts ist sicher, Gewalt und Tod sind allgegenwärtig, Hoffnung und Zuversicht nur leere Worte. Wie sagt der Großvater, als die Hausherrin durch die zugezogenen Vorhänge nach draußen schaut, um zu sehen, was mit Samir geschehen ist: "Vergiss die Welt da draußen, sie zählt nicht mehr." Die Bewohner sind auf sich allein gestellt, niemand hilft ihnen. Sie hören, wie drei Männer in der über ihnen gelegenen zerbombten Wohnung nach etwas suchen, wie sie an der Tür klopfen und drohen und es schließlich schaffen hereinzukommen. Alle verstecken sich in der Küche - bis auf Halima, die aus Angst um ihr Baby im Wohnzimmer bleibt und vergewaltigt wird.

Der Regisseur verzichtet auf explizite Gewaltszenen und Spezialeffekte. Dass der Film dennoch gelingt, liegt an den großartigen Darstellern - die abgesehen von der Mutter und Halima syrische Flüchtlinge sind. Die Niedertracht und das Böse im Menschen werden allzu deutlich. Aber auch die Größe und das Gute sind zu sehen, etwa wenn Kareem und eines der Mädchen den schwer verletzten Samir zurück in die Wohnung holen. "Innen Leben" zeigt einen Tag im Leben der Eingeschlossenen - wie es nach den 24 Stunden der Enge, der Angst und der Bedrohung weitergeht, bleibt offen.

Der Film, im Libanon gedreht, ist auch eine Anklage: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen starben bereits mehr als 400.000 Menschen.

Innen Leben, Belgien, Frankreich, Libanon 2017 - Regie: Philippe van Leeuw, mit Hiam Abbass, Juliette Navis, 86 Min.

(dpa)
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