Düsseldorf Zonen der Schutzlosigkeit

Düsseldorf · Die Digitalisierung bietet Chancen - Experten warnen vor den Schattenseiten.

Bei einer Anhörungen warnen Experten vor den Nachteilen der Digitalisierung.

Mit flexibler Arbeitszeit ist das so eine Sache: Wenn draußen die Sonne scheint, man den Nachmittag am See verbringt und die liegen gebliebene Arbeit dafür am Abend nachholt, ist das für den Beschäftigten schön. Wenn er morgens aber nicht weiß, ob er die Kinder nachmittags von der Schule abholen kann, weil unklar ist, ob er acht oder zehn Stunden arbeiten muss, gilt das eher nicht so.

Was erlaubt ist und was nicht, ist gesetzlich genau geregelt. Weil sich durch die Digitalisierung jedoch Arbeitsmodelle und -plätze verändern, stellt sich auch die Frage, ob die Gesetze noch zeitgemäß sind.

Darüber diskutierten gestern auch Parlamentarier und Experten bei einer gemeinsamen Anhörung von Arbeits- und Digitalausschuss im Landtag. Die SPD kritisiert, dass sich die schwarz-gelbe Landesregierung über den Bundesrat für eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes einsetzen will. Die Partei hält die Argumentation, man wolle die Gesetze der digitalen Welt anpassen, für vorgeschoben und sieht den Schutz von Arbeitnehmern bedroht.

"Ein Wissensarbeiter kann nicht nach den gleichen Maßstäben behandelt werden wie ein Bandarbeiter im Schichtbetrieb", sagte Hans Michael Weiss vom Arbeitgeberverband Unternehmer NRW, stellte jedoch klar: "Kein Mensch will den Schutz der Arbeitnehmer aufheben." So habe man sich mit der Gewerkschaft IG Metall in NRW auf einen Tarifvertrag "Mobiles Arbeiten" geeinigt, der unter anderem keine Zuschläge für Abendarbeit und eine Absenkung der Ruhezeiten vorsieht, gleichzeitig Arbeitnehmern aber mehr Flexibilität ermöglicht.

Andere warnten, dass viele Menschen eher Opfer als Profiteur der modernen Arbeitswelt seien. "Viele Beschäftige werden nicht mehr vom Arbeitszeitgesetz erfasst", sagte Michael Hermund vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Christina Schildmann von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung warnte: "Auf digitalen Plattformen mit vielen Selbstständigen entstehen neue Zonen der Schutzlosigkeit." Was sie meint: Viele Plattformen wie Fahrdienst-Vermittler stellen lediglich die Infrastruktur, die von selbstständigen Fahrern genutzt werden kann. "Schutzgesetze werden in der Regel nicht für die Stärksten gemacht, sondern für die Schwächsten", sagt deshalb DGB-Mann Hermund.

Offen blieb, wie Arbeit in der digitalen Welt tatsächlich aussieht - in der Expertenrunde waren Gewerkschaften, Forschungsinstitute und Verbände vertreten. Die einzige Vertreterin eines Digitalunternehmens, der Düsseldorfer Hotelsuchmaschine Trivago, hatte abgesagt.

(frin)
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