Immer mehr Schulabgänger studieren lieber Warum es zu wenig Auszubildende gibt

Berlin · Vor einigen Jahren gab es in Deutschland noch eine Lehrstellennot. Jetzt haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Immer mehr Schulabgänger studieren lieber, um später im Job mehr Geld zu verdienen – sehr zum Bedauern der Betriebe.

Vor einigen Jahren gab es in Deutschland noch eine Lehrstellennot. Jetzt haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Immer mehr Schulabgänger studieren lieber, um später im Job mehr Geld zu verdienen — sehr zum Bedauern der Betriebe.

In Deutschland studieren so viele Jugendliche wie noch nie. Rund 2,5 Millionen Studenten waren zum Wintersemester 2012/13 an den Hochschulen im Lande eingeschrieben. Das ist auf der einen Seite erfreulich, aber es hat auch einen gewaltigen Haken: Wegen der vielen Studenten gibt es immer weniger Bewerber um einen Ausbildungsplatz.

Die Betriebe bekommen ihre Lehrstellen nicht mehr besetzt, weil zu viele Jugendliche den Weg an die Hochschule wählen. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge habe 2013 mit 530 700 auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gelegen, sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) waren zum September des vergangenen Jahres 33 500 Stellen nicht besetzt.

Im Zuge des Ausbildungspaktes, den 2004 unter dem Namen "Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftesicherung" die Bundesregierung und die Wirtschaft ins Leben gerufen hatten, haben die Betriebe in den vergangenen Jahren immer mehr Stellen geschaffen. Für die Einstiegsqualifizierungen (EQ) vor dem Antritt einer Ausbildung stellten die Betriebe zudem 18 500 Plätze zur Verfügung, davon 5000 "Plus-Plätze" speziell für förderungsbedürftige Jugendliche, aber nur rund 14 000 Jugendliche haben eine solche Qualifizierung genutzt.

Auf vielen Jobs bleiben die Betriebe also sitzen. Denn die Kandidaten, die zwischen Ausbildung und Studium wählen können, lockt vielfach die Hochschule — des Geldes wegen. Hochschulabsolventen verdienen über ihr gesamtes Erwerbsleben hinweg durchschnittlich etwa 2,3 Millionen Euro. Damit werden Akademiker fast doppelt so gut bezahlt wie jene, die "nur" eine Berufsausbildung haben. Die Zahlen beruhen auf einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Die Einkommen sind zum Berufsbeginn noch nah beieinander, driften aber ungefähr ab dem 40. Lebensjahr extrem auseinander.

Das Umdenken der Jugendlichen — hin zum Studium und weg von der Ausbildung — macht sich schon bei der Schulbildung bemerkbar. So ist die Zahl der nicht studienberechtigten Schulabgänger, die besonders häufig eine duale Ausbildung machen, um 21,5 Prozent auf 551 800 im Jahr 2013 zurückgegangen. Die Zahl der Studienberechtigten hat sich derweil seit dem Jahr 2003 um knapp 40 Prozent auf derzeit 506 000 erhöht. Die beliebtesten Studiengänge bei Männern: Betriebswirtschaftslehre (BWL), Maschinenbau und Informatik, bei Frauen BWL, Germanistik, Medizin.

"Angebot und Nachfrage finden schwerer zusammen", geben die Ausbildungspakt-Partner in ihrer Bilanz für das Jahr 2013 zu. Lob gibt es vonseiten der Gewerkschaften, die die Bundesregierung gerne in einer neuen Ausbildungsallianz dabei haben möchte: "Es ist gut, dass nun auch die Partner des alten Ausbildungspaktes die schwierige Lage der Jugendlichen als Problem benennen", sagt Elke Hannack, stellvertretende DGB-Chefin. Der DGB trat kurz vor der Verlängerung des Ausbildungspaktes 2010 aus der Vereinigung aus, weil die Arbeitgeber kurzfristig noch zweijährige Mini-Ausbildungen und weniger Jugendarbeitsschutz als Bedingung forderten.

Eine Chance für die Betriebe könnten verstärkt die dualen Ausbildungen sein — die Kombination aus Lehre im Betrieb und Unterricht in der Berufsschule. Angesichts des Fachkräftemangels hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel vorige Woche bereits dafür stark gemacht. Das denkt auch DGB-Vize Hannack: "Eine gute duale Berufsausbildung ist zudem das Rückgrat der Innovationskraft unserer Betriebe."

(jaco)
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