„Rund 137.000 Anträge auf Rente ab 63“

Das Samstags-Interview mit Axel Reimann (63), Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund

Die Rentenversicherung muss aus ihren Mitteln finanzieren, was die große Koalition an Mehrausgaben beschlossen hat. Noch ist die Finanzlage gut. Der neue Präsident der Deutschen Rentenversicherung Axel Reimann sprach im Interview über die Umsetzung der Mütterrente und die Angleichung des Systems in Ost und West.

Bis wann werden alle Mütter, die vor 1992 ihre Kinder geboren haben, ihre erhöhte Rente auf dem Konto haben?

Reimann Wir wollen das gesamte Paket Mütterrente bis zum Jahresende erledigt und die entsprechenden Zahlungen auf den Weg gebracht haben. Wir sind dabei sehr gut im Zeitplan. Wir haben bereits für weit mehr als 90 Prozent der Berechtigten die Zahlungen auf den Weg gebracht. Noch nicht vollständig abgeschlossen sind die Nachzahlungen bei Fällen, in denen Einkommen angerechnet wird.

Damit meinen Sie die Fälle mit Witwenrenten.

Reimann Ja, die Mütterrente kann sich auf die Höhe der Hinterbliebenenrente auswirken: Bei einer eigenen Rente von netto 755 Euro oder mehr werden 40 Prozent des darüber hinausgehenden Betrages von der Hinterbliebenenrente abgezogen.

Liegen die Anträge zur Rente ab 63 in dem erwarteten Umfang?

Reimann Bis Ende September hatten wir rund 137 000 Anträge. Das bewegt sich im Rahmen unserer Erwartungen.

Alle erwarten, dass der Rentenbeitragssatz Anfang 2015 sinkt. Wird das der Fall sein?

Reimann Das hängt ganz wesentlich von den Prognosen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. Die Berechnung wird vorausschauend auf das nächste Jahr bezogen sein. Der Beitragssatz ist so festzulegen, dass die Nachhaltigkeitsrücklage in der Rentenversicherung Ende des nächsten Jahres 1,5 Monatsausgaben nicht übersteigt. Gegenwärtig liegen wir oberhalb dieses Korridors.

Werden Sie angesichts der Kosten für das Rentenpaket bald auf die minimale Rücklage von 0,2 Monatsausgaben sacken?

Reimann Nicht nur wegen der neuen Gesetze, sondern schon allein aus Gründen der demographischen Entwicklung wird die Nachhaltigkeitsrücklage sukzessive abgebaut. Nach unserer letzten Schätzung im Juli wird dieser Punkt 2019 erreicht sein. Auch insofern bleibt das Ergebnis der aktuellen Schätzung abzuwarten.

Ist die Rentenversicherung jederzeit zahlungsfähig, wenn ihre Rücklage bei nur 0,2 Monatsausgaben liegt?

Reimann Die Zahlungsfähigkeit ist durch eine Garantie des Bundes jederzeit gesichert. Zurzeit ist auch die niedrige Mindestrücklage kein Problem, da wir uns am oberen Ende dessen befinden, was wir an Finanzreserven vorhalten können. Wenn wir uns in Zukunft aber auf dem Niveau einer Rücklage von nur 0,2 Monatsausgaben zum Jahresende bewegen, dann wird das im Jahresverlauf mit großer Wahrscheinlichkeit zu Schwierigkeiten führen. Deshalb halten wir eine Anhebung der Untergrenze auf mindestens 0,4 Monatsausgaben für erforderlich, um Liquiditätsengpässe auszuschließen.

Mit welchem Überschuss rechnen Sie in diesem Jahr?

Reimann Nach der Juli-Schätzung würde sich die Rücklage auf rund 33 Milliarden Euro belaufen. Der Überschuss für 2014 würde demnach rund eine Milliarde Euro betragen. Angesichts der aktuell positiven Entwicklung der Beitragseinnahmen ist anzunehmen, dass der Überschuss noch etwas höher ausfällt.

Wie beurteilen Sie die Pläne zu Kombi- oder Flexi-Rente, mit denen die Leute flexibler in den Ruhestand gehen könnten?

Reimann Dazu wird ja ein Strauß an Vorschlägen diskutiert. In der vergangenen Wahlperiode ging es um die Vereinfachung der Hinzuverdienstgrenzen. Das unterstützen wir. Die Regelungen heute sind recht kompliziert und die Hinzuverdienstgrenzen starr.

Lässt sich das für die Rentenversicherung kostenneutral regeln?

Reimann Das hängt von der konkreten Umsetzung ab. So lange keine neuen Altersgrenzen eingeführt werden, rechnen wir bei einer bloßen Vereinfachung der Hinzuverdienstgrenzen nicht mit wesentlichen finanziellen Verschiebungen.

Viele waren von der Aussage der Kanzlerin überrascht, dass sie noch in dieser Wahlperiode den Fahrplan für eine Ost-West-Rentenangleichung festlegen will. Sie auch?

Reimann Dieses Thema bewegt die Menschen in den neuen Bundesländern stark. Die Erwartung, was die Angleichung der Ost-Rentenwerte an den Westen betrifft, sind hoch. Es geht aber nicht nur um die Angleichung der Rentenwerte, sondern es geht um die Zusammenführung sämtlicher Rechenwerte. Wichtig ist, dass diese Diskussion tatsächlich nun geführt wird, denn auch der Übergang wird Zeit benötigen.

Wenn man nur den Rentenwert Ost auf das Niveau des Rentenwerts West anhebt, kostet das allein rund vier Milliarden Euro pro Jahr. Ist das machbar?

Reimann Rein rechnerisch könnten sich nach dem heutigen Stand solche Größenordnungen ergeben. Was eine Angleichung am Ende kostet, hängt aber noch von vielen anderen Faktoren ab, auch von der Lohnentwicklung im Osten. Die Frage wird dann auch sein, wer das zusätzlich benötigte Geld aufbringt.

Fordern Sie dafür Steuergeld aus dem Solidaritätszuschlag, der ja jetzt reformiert werden soll?

Reimann Wir haben im Rahmen des Rentenpakets erlebt, dass große Summen, die eigentlich aus Steuermitteln hätten finanziert werden müssen, letztlich doch zu Lasten der Beitragszahler und der Rentner gegangen sind. Wenn die Rentenversicherung hier mit weiteren Ausgaben belastet wird, ohne dass diese aus Steuermitteln finanziert werden, so wird sich dies natürlich auch auf die künftige Höhe des Beitragssatzes und die Rentenanpassung auswirken.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
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