BGA-Präsident Bingmann im Interview „Wir raten von Vergeltungszöllen ab“

Der Vorsitzende des Groß- und Außenhandelsverbandes BGA über den Streit zwischen der EU und den USA.

 BGA-Präsident Holger Bingmann.

BGA-Präsident Holger Bingmann.

Foto: Trunk

Der Streit um die Strafzölle, die der amerikanische Präsident Donald Trump auf Aluminium- und Stahlprodukte aus der Europäischen Union verhängt hat, verunsichert die deutschen Exporteure nachhaltig. Darüber und über mögliche Reaktionen sprach unsere Redaktion mit Holger Bingmann, Vorsitzender des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen.

Herr Bingmann, wie bewerten Sie die Entscheidung von Donald Trump, Strafzölle gegen Produkte aus der Europäischen Union zu verhängen?

Bingmann Die zusätzlichen Zölle sind nicht gerechtfertigt. Sie mit der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten zu begründen, stellt eine dreiste Überdehnung der Regeln der Welthandelsorganisation WTO dar. Die Entscheidung ist vor allem zu bedauern, weil sie nur Verlierer produziert: Die Strafzölle nützen den Beschäftigten in der US- Stahl- und Aluminiumindustrie nicht und schaden Unternehmen und Verbrauchern auf beiden Seiten des Atlantiks.

Was sollte die EU tun, um eine Eskalationsspirale zu vermeiden?

Bingmann Die Europäische Union sollte nun darauf bedacht sein, selbst WTO-konform zu handeln, um die Welthandelsorganisation und ihre Regeln nicht noch mehr zu schwächen. Deshalb raten wir davon ab, übereilt Vergeltungszölle festzulegen. Man würde sich die Logik der Protektionisten zu eigen zu machen und Gefahr laufen, damit die Auseinandersetzung noch weiter anzufeuern. Die EU muss sich sicherlich nicht alles gefallen lassen und wäre stark genug, sich in einem Handelsstreit zu behaupten. Die derzeit deutlich cleverere Lösung ist allerdings, mit Nachdruck auf den Abbau aller Zölle sowie nichttarifärer Handelsbarrieren auf beiden Seiten hinbzuwirken. Ein solches Freihandelsabkommen würde nicht zuletzt auch zukünftigen Auseinandersetzungen dieser Art vorbeugen.

Welches konkrete Angebot sollte die EU den USA unterbreiten?

Bingmann Wir sollten klar vereinbaren, dass es rasche und intensive Verhandlungen über ein abgespecktes transatlantisches Freihandelsabkommen gibt. Es könnte in einem ersten Schritt nur Zollsenkungen umfassen. In einem zweiten Schritt sollte es dann aber auch ganz klar die nichttarifären Handelsbarrieren ins Auge fassen. Die sind oft für mittelständische Unternehmen viel wichtiger als geringere Einfuhrzölle.

Inwiefern lässt sich die große Bedeutung nichttarifärer Regeln für die deutsche Wirtschaft an Daten ablesen?

Bingmann Die Bedeutung sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse ist im Vergleich zu den aktuellen durchschnittlichen Zöllen ungleich größer. Im Rahmen der Verhandlungen zum Handelsabkommen TTIP wurde errechnet, dass diese beispielsweise im Falle von Textilien oder Maschinen einem Zollsatz von bis zu annähernd 50 Prozent entsprechen. Und jetzt stellen Sie sich auch noch einen Mittelständler vor, der in jedem Land andere Standards und regulatorische Anforderungen erfüllen muss. Das ist für die meisten kaum machbar.

Was halten Sie von dem Vorschlag einer festen Exportquote für europäischen Stahl für den Zielort USA?

Bingmann Ich bin ein Gegner von Quoten, weil sie Dinge zementieren und reglementieren, die nicht der freien Wirtschaft entsprechen. Der deutsche Exportüberschuss ist deshalb so hoch, weil wir hervorragende Produkte haben. Wir sollten aber die Importe noch stärker fördern. Je mehr wir ins Land hereinbringen, desto weniger angreifbar sind wir wegen des hohen deutschen Handelsüberschusses.

Können Sie die Kritik am hohen deutschen Überschuss verstehen?

Bingmann Nein. Denn der Überschuss resultiert einfach aus guten Produkten und Dienstleistungen. Die deutschen Geländewagen (SUVs) sind ja in den USA nicht deshalb so beliebt, weil sie besonders günstig , sondern weil sie einfach gut sind. Wir können nicht unseren Firmen sagen: Macht eure Produkte ein bisschen schlechter, damit wir nicht mehr so viel im Ausland verkaufen.

Was besorgt Sie besonders?

Bingmann Die Folge der jüngsten Entwicklung ist: Viele deutsche Unternehmer überlegen sich jetzt, ob sie noch bereit sind, in den USA, im Iran, in China oder wo auch immer zu investieren. Das Bauchgefühl bei Mittelständlern ist momentan sehr negativ. Man wird vorsichtiger, man will nicht mehr investieren, man kauft auch nicht mehr ein. Ein richtig gutes Gefühl als Investor und Exporteur haben Sie heute nirgendwo mehr in der Welt. Das kann die Weltwirtschaft ausbremsen.

Handelskonflikt, Italien-Krise, Immobilienpreisblasen, Zinserhöhungen – braut sich da etwas Ungutes zusammen?

Bingmann Wir erleben eine fast schon überraschend solide Konjunktur in Europa. Es stimmen nur die Rahmenbedingungen nicht mehr ganz. Da will ich auch Deutschland nicht ausnehmen. In Deutschland müssen die Unternehmensteuersätze runter. Wir können doch nicht bald Schlusslicht in der Europäischen Union sein mit unseren hohen Firmensteuersätzen. Und wir brauchen wieder mehr Mut – zu Reformen in der Politik und Investitionsbereitschaft in der Wirtschaft. Das Frappierende ist: Unsere Wirtschaft funktioniert gerade wirklich toll. Aber als Unternehmer fühle ich mich momentan sehr unwohl.

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