Gastbeitrag von Fabian Kienbaum "Ein Meister ist genauso wichtig wie ein Master"

Der digitale Wandel erfordert ein neues Verhältnis zur Arbeit und eine Ausbildung 5.0.

Unsere Arbeitswelt verändert sich in einem rasanten Tempo: Die Jobs werden individueller, flexibler, kreativer und gehorchen oft nicht mehr klaren Aufgabenbeschreibungen. Viele Tätigkeiten werden automatisiert, Angestelltenverhältnisse sprunghafter. Und die Anzahl sogenannter "Gig-Worker", also Freiberufler, die Aufträge projektbezogen übernehmen und sich über Plattformen organisieren, nimmt zu.

Früher galt: Arbeit findet im Büro statt - und Freizeit zuhause. Heute sind die Grenzen zwischen "Work" und "Life" fließender.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen für Unternehmen im Kampf um die fähigsten Köpfe. Nicht nur Arbeitnehmer müssen für Arbeitgeber attraktiv sein, sondern auch umgekehrt. Wenn Unternehmen also heute über Fachkräftemangel klagen, müssen sie sich auch selbstkritisch fragen, ob sie alles richtig gemacht haben und attraktiv genug für Arbeitnehmer sind. Schlagzeilen wie "Telekom-Mitarbeiter erhalten mehr Geld und viel mehr Freizeit" werden eher die Regel als die Ausnahme im Werben um die Besten. Fluidität und Agilität werden für Unternehmen zum Gebot der Stunde.

Endlich rücken auch Haltung und Menschlichkeit wieder mehr in den Vordergrund. Wir brauchen eine Unternehmenskultur, die das Miteinander fördert: "Hire for attitude, train for skills" (Motivierte Menschen einstellen, Fertigkeiten trainieren) sollte das Credo sein.

Vor diesem Hintergrund ist die Vorbereitung auf diesen hoch individualisierten, digitalen Arbeitsmarkt essentiell. Das fängt in der Schule an und wird im Studium oder in der Ausbildung fortgesetzt. Kompetenzen wie das Verständnis für Daten und digitale Medien, aber auch die Fähigkeit sich selbst zu organisieren, unternehmerisches Denken, Teamfähigkeit und Kreativität werden wichtiger.

Menschen müssen lernen, im Job eigenverantwortlich zu denken. Und: gerade wegen der Digitalisierung wird der einzelne Mensch für den Unternehmenserfolg an Bedeutung gewinnen - und nicht verlieren, wie Kritiker sagen. "People over Pixels" ist auch im dualen System von oberster Priorität. Mit Technologie als Bereicherung und Menschlichkeit als Basis.

Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei der Ausbildung in Berufsschulen zu. Auch Start-ups sollten ausbilden, denn viele neue Berufe wie zum Beispiel Online Marketer entstehen eben "on the job" und nicht in Studiengängen. So könnte eine Ausbildung 5.0 entstehen, die wesentliche Lücken schließen würde. Dem Bundesinstitut für Berufsbildung wird dabei eine Schlüsselrolle als Bindeglied zwischen Arbeitswelt und Politik zukommen. Anspruch des Instituts muss sein, relevante Trends im Markt früher zu erkennen und diese Erkenntnisse der Politik zugänglich zu machen.

Was wir brauchen ist ein neues Verständnis von Arbeit. Es gilt nicht mehr: Studium Top, Ausbildung Flop. Ein Meister ist heutzutage genauso wichtig wie ein Master. Denn die besten Ideen kommen nicht immer nur von ganz oben. Der digitale Handwerksmeister, der das Smart Home kreiert: So sieht erfolgreiche Arbeit in Zukunft aus!

Der Autor Fabian Kienbaum ist Chief Empowerment Officer der Kienbaum Consultants International GmbH in Köln. Kienbaum ist Mitglied der Jury beim Wettbewerb „NRW-Weirtschaft im Wandel“.

(RP)
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