Frankfurt/M. Achleitner auf Distanz zu Jain und Fitschen

Frankfurt/M. · Auf die beiden Deutsche-Bank-Chefs wartet am Donnerstag eine ungemütliche Hauptversammlung. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats verzichtet auf ein klares Bekenntnis zum Spitzenpersonal. Seine Botschaft: Keiner ist unersetzlich.

Es hat schon beschaulichere Zeiten gegeben bei der Deutschen Bank. So ungemütlich jedenfalls wie die Hauptversammlung am Donnerstag zu werden verspricht, ist für die Deutsche-Bank-Spitze in den vergangenen drei Jahren kein Aktionärstreffen mehr gewesen. Die Strategie, die die Führung vor einigen Wochen verkündete, hat die Börsianer nicht überzeugt; die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat eine unabhängige Sonderprüfung verlangt, mit der alle Rechtsverfahren, drohende Vergleichszahlungen und kartellrechtliche Vorwürfe untersucht werden sollen, US-Aktionärsberater empfehlen den Eigentümern, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern; Co-Chef Jürgen Fitschen steht gleichzeitig in München vor Gericht: es drohen nach bereits erfolgten und zugesagten Milliardenzahlungen weitere Geldbußen.

In so einer Situation täte es vermutlich gut, wenn der Aufsichtsrat sich uneingeschränkt hinter sein operatives Spitzenpersonal stellen und vielleicht sagen würde, der Vorstand habe das volle Vertrauen des Kontrollgremiums. Doch von solchen oder ähnlichen Treueschwüren an den Vorstand ist bei Chefkontrolleur Paul Achleitner nichts zu hören. Im Gegenteil: Aus so manchem Satz, den Achleitner in einem Gespräch mit der "Wirtschaftswoche" gesagt hat, klingt die Unzufriedenheit deutlich durch.

"Es geht um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen", hat der Ober-Aufseher beispielsweise auf die Frage, ob die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen unersetzbar seien. "Wer ist das schon?", so Achleitner, und so eine Aussage macht unmissverständlich klar, dass die Zukunft der Deutschen Bank nicht zwangsläufig mit dem Verbleib des aktuellen Spitzenmanagements verbunden sein muss.

Was für die beiden spreche, soll Achleitner sagen - und antwortet: "Die Frage werden die beiden Co-Vorstandsvorsitzenden bei der Hauptversammlung selbst beantworten." Das werden Fans des Manager-Duos Fitschen/Jain als ein Zeichen werten, dass das Vertrauen in die Führungsstärke vorhanden ist. Andere argwöhnen, Achleitner lasse Fitschen und seinen britischen Partner Jain, den einstigen "Regenmacher" (Bezeichnung für Investmentbanker), öffentlich im Regen stehen. Dass Achleitner sich einer öffentlichen Personaldiskussion verweigert, ist verständlich, aber ein Aufsichtsrat, der "alle Entwicklungen kritisch begleiten und zur richtigen Zeit die richtigen Schlüsse" ziehen will - auch ein Signal?

Jain mag dies als stärkeren Warnschuss empfinden als sein deutscher Co-Chef. Dessen Vertrag läuft noch bis 2017, und den wird Fitschen auch erfüllen - wenn ihm die Justiz keinen Strich durch die Rechnung macht und ihn wegen Prozessbetrugs verurteilt. Dann wäre das Deutsche-Bank-Urgestein ohnehin nicht zu halten; das weiß auch Achleitner.

Insofern ist die Endphase der Karriere Fitschens, der ebenso wie sein Vorgänger Josef Ackermann gestern erneut seine Unschuld beteuert hat, weniger von der Performance der Bank abhängig als von der Gerichtsbarkeit.

Anshu Jain galt lange als Paradebeispiel für die "Regenmacher", die dem Konzern das große Geld brachten. Aber zwischenzeitlich brockten sie der Bank eben auch gewaltige Verluste ein, und gespart wird bei ihnen jetzt auch. Das schwächt auch die Rolle des großen Vordenkers, und auf ihm, dem einstigen Hoffnungsträger, lastet der ungleich größere Druck.

Eine erste Personalie scheint allerdings schon festzustehen: Wie der "Spiegel" in Aufsichtsratskreisen erfahren haben will, soll Privatkundenchef Rainer Neske bereits über eine Auflösung seines Vertrages verhandeln. Demnach soll die Personalie morgen Thema im Aufsichtsrat sein. Dabei solle auch ein Nachfolger präsentiert werden.

(RP)
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