Ende der Ressourcen im Fußball erreicht? Mayer-Vorfelder: Steigende Abhängigkeit des Sports

Essen (rpo). Der geschäftsführende Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Gerhard Mayer-Vorfelder, hat in Essen vor dem Ende der finanziellen Ressourcen im Milliardengeschäft Fußball gewarnt.

"Ich werde zwar nicht rot, wenn ich vom Verhältnis von Sport und Kommerz im Fußball rede, aber ich frage mich, ob der Fußball finanziell noch weiter auszureizen ist. Ich sehe Endlichkeiten in den finanziellen Ressourcen und eine steigende Abhängigkeit des Sports", sagte Mayer-Vorfelder im Politischen Forum Ruhr.

Auch das Fernsehen stößt offenbar an seine Grenzen. Dr. Ewald Walgenbach von der RTL-Gruppe: "Früher bezahlte das Fernsehen 15 Millionen pro Jahr für den Fußball, heute pro Woche. Aber der Fußball ist nicht inflationierbar, weil die Leute nicht noch mehr Fußball sehen wollen. Die Quoten in der Champions League gehen zurück, auch bei SAT.1, und man muss sich fragen, ob die Kuh Fußball, wenn sie hemmungslos weiter gemolken wird, überleben kann."

Dr. Gerd Niebaum, Präsident von Borussia Dortmund, bezeichnete das Verhältnis von Fußball und Kommerz dagegen als Phänomen des Zeitgeistes. Der Fußball in Deutschland habe im Verhältnis zur Wirtschaft schon in den 60-er Jahren seine Unschuld verloren, aber "im Fußball hat es niemals Heuchelei gegeben, der Fußball war von Beginn seiner Entwicklung an wirtschaftlich orientiert".

Die gesamte Bundesliga setzt pro Jahr 1,5 Milliarden Mark um. Niebaum: "Die Bundesliga bezahlt pro Jahr aber auch 700 Millionen Mark Steuern. Und mir ist es lieber, ein Spieler verdient drei bis vier Millionen Mark auf dem Spielfeld als in irgendeinem Container einer Fernsehgesellschaft." Dr. Thomas Bach; Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): "Das Verhältnis von Sport und Kommerz zu leugnen ist Heuchelei, schon die Erfindung des Amateurparagraphen war Heuchelei. Sport hat immer Geld gekostet, schon das Olympiastadion 1896 in Athen ist von Sponsoren gebaut worden."

Niebaum verteidigte in Essen die Umwandlung seines Vereins in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien: "Wir haben mit der Umwandlung des Vereins in eine Aktiengesellschaft das Verhältnis von Sport und Kommerz nicht zu Ungunsten des Sports verändert, wir haben das Verhältnis nur neu interpretiert und dem Zeitgeist angepasst. Wir wollten aus den betroffenen Fans Beteiligte machen."

Mayer-Vorfelder, der am 28. April in Magdeburg auf dem DFB-Bundestag die Nachfolge von Egidius Braun antreten wird, warnte aber davor, trotz aller Kommerzialisierung Grenzpositionen aufzugeben: "Auch wenn der Druck von Fernsehen und Sponsoren noch größer wird, Regeländerungen werden mit mir nicht machbar sein. Fußball wird niemals in drei Dritteln und vier Vierteln gespielt werden."

Niebaum bezeichnete den Fußball nicht nur im Revier trotz aller Negativtendenzen weiter als "Lebensgefühl": "Wir haben Andreas Möller, Jürgen Kohler und Matthias Sammer damals aus Italien zurückgeholt, die Leute haben sie als Millionäre beschimpft, dann wurden wir Meister und Millionen Menschen waren auf den Dortmunder Straßen. Der Fußball wird trotz aller Kommerzialisierung authentisch bleiben: Wenn die Gesellschaft oberflächlicher wird und keinen Tiefgang mehr mehr hat, warum soll das im Sport anders sein? Warum soll im Fußball alles gut sein, wenn in der Gesellschaft vieles schlecht ist?"

(RPO Archiv)
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