Public Viewing Rudelgucken ohne Rudel

Düsseldorf · Viele Public-Viewing-Events erreichen noch nicht die erhofften Besucherzahlen. Zudem wird bei der EM hierzulande gefühlt noch zurückhaltend Flagge gezeigt. Fahnen- und Fanartikelhersteller führen das auch aufs Wetter zurück.

Mieses Wetter und späte Anstoßzeiten sorgen für schlecht besuchte Public-Viewing-Veranstaltungen - so wie hier in Freiburg.

Mieses Wetter und späte Anstoßzeiten sorgen für schlecht besuchte Public-Viewing-Veranstaltungen - so wie hier in Freiburg.

Foto: dpa, pse sab

Für das Fahnenmuster Schwarz-Rot-Gold bedeutete das Jahr 2006 eine Zäsur. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland wurden weit mehr als 20 Millionen Flaggen verkauft. "Die Menschen standen bei uns in langen Schlangen vor dem Gebäude, um sich ein Exemplar zu sichern", erzählt Lisa Pias, Marketingleiterin bei Bofa Doublet aus Bonn, einem der größten Fahnenhersteller des Landes. Überall flatterten die Wimpel, dazu schmückten schwarz-rot-goldene Überzieher Seitenspiegel und Motorhauben. Vergleichsweise ruhig geht es dagegen bei der Europameisterschaft zu - noch sind beflaggte Autos und Häuser gefühlt eher die Ausnahme als die Regel. Auch die zahlreichen Public-Viewing-Veranstaltungen in der Landeshauptstadt und anderen Großstädten kommen fast zwei Wochen nach Turnierstart nicht richtig in Schwung. Als Gründe dafür nennen die Organisatoren schlechtes Wetter, späte Anstoßzeiten bei den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sowie die latente Angst vor Anschlägen.

Den Auftaktsieg des DFB-Teams gegen die Ukraine (2:0) sahen etwa nur 1000 Gäste vor dem Rathaus in der Düsseldorfer Altstadt. Platz genug wäre für die vierfache Zahl von Menschen gewesen. Ähnlich enttäuschende Zahlen vermeldeten die Veranstalter von Rudelguck-Events anderer NRW-Städte, wie zum Beispiel in Essen, wo auf dem Kennedyplatz eine große Leinwand aufgebaut wurde.

In Berlin steht wie bei vorherigen Turnieren erneut die Straße des 17. Juni im Zentrum der Fans. Mehrere Zehntausend Gäste sahen sich dort gemeinsam die ersten Partien der Elf von Joachim Löw an. Die verschärften Kontrollmaßnahmen an den Eingängen wegen der besonderen Gefahrenlage ließ das Party-Volk geduldig über sich ergehen. Die Besucherzahl früherer Großveranstaltungen wurde aber nicht erreicht.

Hoffen auf das Finale

Erfolg und Misserfolg solcher Events sowie der Verkauf von Flaggen - beides hängt eng mit dem Abschneiden der deutschen Elf zusammen. "Je weiter Deutschland im Turnier kommt, desto höher schrauben sich die Verkäufe", sagt Lisa Pias vom Bonner Fahnenhersteller. Schon jetzt sei der Absatz deutlich gestiegen, der Lagerverkauf liege bislang etwa auf dem Niveau der WM 2014. Richtung Finale sei dann möglicherweise die Begeisterung so groß, dass Billigläden leergekauft seien. Pias: "Als Hersteller haben wir dagegen große Lagerbestände. Deutschlandfahnen zum Beispiel halten wir vorgedruckt auf Rolle vor."

Trotz der kurzzeitig anziehenden Verkäufe machen die Fan-Wimpel bei Herstellern wie Bofa Doublet oder Fahnen-Herold aus Wuppertal nicht das Hauptgeschäft aus. Dort setzt man vor allem auf hochwertige, oft großformatige Siebdruckfahnen für Gewerbekunden. Denn durch die enorme Nachfrage bei der WM 2006 hat sich der Markt verändert - die günstigen Fähnchen beim Discounter oder an der Tankstelle werden alle aus Fernost importiert. "Für den Preis lässt sich hierzulande nicht produzieren", sagt Wilfried Landl, Inhaber der Landauer Fahnenfabrik. Oft stimmten auch die Farben der Billigprodukte nicht, sagt Kai Frauenhoff, Geschäftsführer von Fahnen-Herold.

In seinem Haus sind Deutschlandfahnen während WM und jetzt der EM "klar der Renner", der Absatz verdoppele sich vor und während der Turniere. "Wir reden letztlich aber trotzdem nur von mehreren Tausend Fahnen", sagt Frauenhoff. Eine WM gehe besser als eine EM, die Nachfrage sei aber verlässlich. Das Unternehmen beliefert beispielsweise auch Gewerbekunden, die ihre Firma während des Fußballspektakels mit großen Fahnen schmücken. Um auf einen möglichen Endspiel-Hype vorbereitet zu sein, sind auch bei den Wuppertalern die Lager voll mit Deutschland-Flaggen - in 15 Größen. "Natürlich ist das ein Geschäft, das wir gerne mitnehmen", sagt Frauenhoff.

Während Hersteller und Einzelhändler noch hoffen, ist die EM für den Großhandel schon so gut wie vorbei. Auf dem Internetportal restposten.de bieten laut Geschäftsführer Stefan Grimm rund 30.000 gewerbliche Mitglieder aus 97 Ländern ihre Waren an. "Die Fanartikel sind schon so gut wie ausverkauft", sagt Grimm. Produkte rund um die EM seien zwar derzeit noch eines der Hauptthemen, generell sei aber eine Europameisterschaft nicht so populär wie eine WM. Zudem würden viele Fanartikel mehrfach verwendet - was 2014 gut war, reicht auch noch 2016.

An den Fans also liegt es nicht, dass Deutschland nicht im Flaggenrausch versinkt. Die Ausstattung ist da, liegt sozusagen griffbereit. Woran dann? "Am Wetter", sagen die Experten. Im Dauerregen flattern die Fahnen eben nicht so schön.

(RP)
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