Nach Anschlägen in London Die Routine des Terrors

Meinung | Düsseldorf · Die Trauer nach dem Terror ist ernüchternd. Wieder gedenken wir der Opfer von Mördern, die den Tod dorthin tragen, wo das Leben blüht. In die Musikhallen, vor die Cafés und Shopping-Zentren, auf belebte Marktplätze. Soll Nationalismus die Antwort sein? Nein, der Kulturkampf fällt aus.

Wieder posten wir Solidaritätsadressen im Netz, appellieren an die Kraft der Vielen, die dem Hass der Wenigen überlegen ist. Wir lassen uns unseren Lebensstil nicht nehmen. Natürlich nicht. Wir lassen uns nicht gegen Muslime aufhetzen, weil wir sie nicht mit radikalen Islamisten gleichsetzen. Die Blutspur des Islamismus trifft weltweit ja vor allem Muslime, an Europas Tatorten waren Staatsbürger Dutzender Nationen betroffen.

Können wir trotzdem reagieren? Irgendwie in die Offensive kommen? Wie viele Terroranschläge braucht es, um in Routine zu erstarren? Die "Jetzt erst recht"-Botschaften sind so gefährlich, weil die Angst vor der Machtlosigkeit steigt. Gerade in freien Gesellschaften, wo die Bewohner mehr zu verlieren haben. Theresa May hat es gesagt: "Genug ist genug." Der Kampf gegen den Terror muss Erfolge bringen.

Viele Terroristen wuchsen im Westen auf, wurden hier geboren, suchten ihr Heil in einem kruden religiösen Dogmatismus, den sie als Heimat identifizieren. Weil sie in Europa nie heimisch wurden. Verfehlte Integrationspolitik. Die Perspektivlosigkeit in Stadtteilen im Ruhrgebiet, im Pariser Speckgürtel oder in belgischen Mittelstädten ist die Saat für Terror. Der Islamismus gedeiht in Parallelgesellschaften, weil dort die Vorzüge der saturierten, bürgerlichen Welt - Bildung, Job, Anerkennung - unerreichbar scheinen. Massive Bildungsinvestitionen, flankiert von klaren Erwartungen an die Zuwanderer, müssen die Antwort sein.

Aber wir müssen auch über die Religion reden, in deren Namen so viele zu Mördern werden. Islamischer Staat, Boko Haram, Taliban - alle berufen sich auf den Islam. Warum können sie das? Liberale Muslime müssen schärfer als bisher gegen diese Extremisten vorgehen. Es reicht nicht zu sagen, die Islamisten seien falsche Muslime, würden den Koran falsch auslegen. Der Kampf gegen die Ungläubigen ist ein Leitmotiv im puritanisch-wahhabitischen Islam, etwa in Saudi-Arabien. Er ist kein Hirngespinst. Muslimische Eltern müssen sich ihren Kindern entgegenstellen, wenn sich diese IS-Propagandafürsten näher fühlen als ihrem Realschul- oder Gymnasiallehrer. Und der Staat muss stärker werden, Gefährder intensiver überwachen, die Daumenschrauben anziehen, wenn Fundamentalismus gepredigt, gelehrt oder beworben wird. Nur zusammen gewinnen wir diesen Kampf.

(brö)
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