SPD: Gravierende Fehler der Bundeswehr Ministerium verschwieg offenbar Grund des Luftschlags

Berlin (RPO). Die Kundus-Affäre weitet sich einem Zeitungsbericht zufolge immer weiter aus. Die Spitze des Verteidigungsministeriums habe seit langem gewusst, dass das eigentliche Ziel des Luftschlags von Kundus eine Gruppe von Taliban gewesen sei. Der Luftangriff war nach Ansicht des SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold militärisch nicht gerechtfertigt und durch das Mandat der internationalen Schutztruppe ISAF nicht gedeckt.

Guttenberg in Kundus: Zwei Besuche im Vergleich
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Dessen ungeachtet habe die Ministeriumsspitze aber öffentlich an der Darstellung festgehalten, es sei bei dem Angriff lediglich um die Zerstörung von zwei entführten Tanklastern gegangen. Details wolle das Ministerium erst dem Untersuchungsausschuss nennen, der diese Woche seine Arbeit aufnimmt, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".

Schon einen Tag nach dem Luftschlag vom 4. September habe der deutsche Oberst Georg Klein an den damaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gemeldet, er habe am Tag zuvor befohlen, die beiden entführten Tanklaster sowie an den Fahrzeugen befindliche Aufständische "durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten".

Dieser Bericht sei dem damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) einen Tag später vorgelegt worden und sei kurz darauf in der Führungsetage des Ministeriums allgemein bekannt gewesen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf die Spitze des Ministeriums. Unklar sei, ob der Bericht auch das Kanzleramt erreichte.

Seit dem 28. Oktober liege der Bundesregierung, auch dem Kanzleramt, überdies der Bericht der Afghanistan-Schutztruppe ISAF zu den Vorgängen in Kundus vor. Auch aus ihm gehe eindeutig hervor, dass die Gruppe der Taliban Ziel des Angriffs gewesen sei, heißt es in dem Vorabbericht der Zeitung.

Ungeachtet beider Berichte sei jedoch das Verteidigungsministerium bei seiner Darstellung geblieben, mit dem Angriff habe verhindert werden sollen, dass die Tanklaster zu rollenden Bomben umfunktioniert werden sollten. Dass bei dem Angriff Menschen getötet wurden, sei nicht zu vermeiden gewesen.

Gravierende Fehler der Bundeswehr bei Luftangriff

Der Luftangriff war nach Ansicht des SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold militärisch nicht gerechtfertigt und durch das Mandat der internationalen Schutztruppe ISAF nicht gedeckt. Der SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss sagte dem Hörfunksender MDR Info am Montag, der ISAF-Abschlussbericht spreche eine deutliche Sprache. In der Nacht Anfang September seien gravierende Fehler gemacht worden, die zum Tod von vielen Zivilisten geführt hätten.

"Oberst Klein oder seine Berater haben Regeln verletzt, indem sie der ISAF-Zentrale in Kabul gesagt haben, es wären eigene Truppen in Gefahr", sagte Arnold. Nur unter dieser Voraussetzung hätten sie Luftunterstützung bekommen und einen Bombenangriff anordnen dürfen. Es habe vor dem Angriff aber keine besondere Eile bestanden. "Die Tanklastzüge steckten fest, sie wurden aus der Luft beobachtet, von ihnen ging keine Gefahr aus."

Der SPD-Politiker bestätigte Medienberichte, wonach der Angriff nicht primär den Tanklastzügen galt, sondern vor allem Taliban-Anführern. Wer den Abschlussbericht der ISAF lese, werde das sehr schnell feststellen. Um zwei Tanklastzüge zu zerstören, brauche man keine 500-Kilo-Bomben. Das gehe militärisch viel einfacher. "Das heißt im Klartext: Es ging Oberst Klein darum, diese Menschenansammlung zu treffen, weil er im Glauben war, dabei handle es sich ausschließlich um Terroristen", sagte Arnold.

Laut Regierungssprecher keine verschärfte Strategie

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm trat am Sonntag Berichten entgegen, die gezielte Tötung von Taliban sei Ergebnis einer neuen verschärften Strategie, die das Kanzleramt gebilligt habe: Die Vorstellung, dass es jenseits des Bundestagsmandats für den Afghanistan-Einsatz und der Einsatzregeln eine andere Strategie gebe, sei abwegig, sagte Wilhelm der Zeitung. Nach Ansicht der Opposition wären solche Tötungsaktionen vom Mandat nicht gedeckt.

Aufgabe des Kanzleramtes sei es nicht, operative Einsätze zu beaufsichtigen, sagte Wilhelm dem Bericht zufolge. Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit sei Sache des jeweils zuständigen Ressorts, in diesem Fall des Verteidigungsministeriums. Alle notwendigen Informationen seien in den Unterlagen enthalten, die nun dem Untersuchungsausschuss vorgelegt würden. Der ISAF-Bericht sei im Kanzleramt nicht bewertet worden.

Sicherheitsexperte: ISAF-Soldaten handlungsfähig machen

Unions-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl (CSU) hat ein "deutlich robusteres Afghanistan-Mandat" für die Bundeswehr gefordert. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Uhl: "Es ist höchste Zeit, sich ehrlich zu machen und das Mandat so auszugestalten, dass die Bundeswehr voll handlungsfähig ist."

Mit den Maßstäben des Polizeirechts lasse sich in Afghanistan wenig ausrichten. "Die Bundeswehr braucht Klarheit, dass sie Aufständische mit allen Mitteln bekämpfen und auch töten darf." Es sei den Soldaten nicht länger zumutbar, dass sie in einem kriegsähnlichen Konflikt nur zur Selbstverteidigung schießen dürften. Die Afghanistan-Konferenz im Januar biete die Chance für eine Korrektur, sagte Uhl. "Wir brauchen endlich ein ehrliches Mandat, das die Realität am Hindukusch anerkennt."

Zuvor hatten Berichte für Wirbel gesorgt, nach denen der von Oberst Georg Klein angeordnete Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus dazu diente, Anführer der Taliban zu töten. Die Opposition sprach von einem Verstoß gegen das Bundeswehr-Mandat.

(AP/csr)
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