Bewährungsprobe Merkel, die behutsame Krisen-Managerin

Berlin (RP). Bundeskanzlerin Angela Merkel sichert sich gerne nach allen Seiten hin ab. Die Finanzkrise, die jeden Tag mit neuen Überraschungen wartet, lässt für diese Taktik wenig Zeit. Merkel zeigt mit rascher Entschlusskraft jetzt eine neue Qualität. Sie weiß genau: Nimmt sie in der Krise nicht das Heft in die Hand, wird ihr das als Schwäche ausgelegt.

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Foto: ddp

Der dramatische Verfall der Aktienkurse stellt Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die schwerste Bewährungsprobe ihrer Amtszeit. Das Aushandeln des Gesundheitsfonds, die Verantwortung für den G-8-Gipfel, das Nein der Iren zum EU-Vertrag, der Krieg in Georgien — all diese Herausforderungen waren, um es in der Sprache zu sagen, die Banker nutzten, als sie noch vor Selbstbewusstsein strotzten: Peanuts.

Als die Finanzkrise wie ein Virus von den USA nach Europa übersprang, überließ die Kanzlerin zunächst ihrem Finanzminister Steinbrück das Management. Doch in der Krise muss sie Stärke zeigen. Alles andere würde ihr als Schwäche ausgelegt und prompt ihre Umfragewerte nach unten befördern. Merkel weiß das. So hat sie auch bei weniger heftigen Krisen das Heft in die Hand genommen.

Als die große Koalition über die Gesundheitsreform zu platzen drohte, erklärte sie den Fonds zur Chefsache. Als der Georgien-Krieg einen tiefen Keil zwischen Russland und Europa trieb, nahm sie Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Management aus der Hand.

Hauptsache sicher

In Krisensituationen zeigt Merkel äußerlich entschlossenes Handeln, inhaltlich lässt sie Dinge aber gerne in der Schwebe. Nachdem sie den deutschen Sparern die staatliche Garantie für ihre Einlagen gegeben hatte, musste sie sich der Kritik der anderen großen europäischen Nationen stellen. Sie ließ die Argumente für einen europäischen Sicherungsfonds, wie Frankreich ihn favorisierte, an sich abperlen und bekräftigte, Europa müsse kohärent mit der Krise umgehen. Dies ist ein Begriff aus ihrem Doktorfach Physik. Kohärent steht für den Zusammenhalt der Moleküle. Damit demonstrierte sie europäische Einheit, ohne die nationale Hintertür für Deutschland zu schließen.

Merkels Sicherheitsdenken ist ausgeprägt — nicht nur, wenn es um das Vermögen der deutschen Sparer geht. Ihr häufig langes Wägen, bis sie eine Entscheidung fällt, hat ihr zurecht den Ruf der Physikerin der Macht eingetragen. In kleinem Kreis kann die Kanzlerin schlagfertig sein, politische Entscheidungen aber werden von ihrem geräuschlos arbeitenden Machtapparat sorgfältig vorbereitet.

Kehrseite

Die Kehrseite der Medaille: Merkel ist keine Zupack-Kanzlerin, die medienwirksam die Ärmel hochkrempelt, wie es ihr Vorgänger Gerhard Schröder bei der Hochwasserkatastrophe 2002 machte. Als vor etwa zwei Wochen das Kreditpaket für die Hypo Real Estate platzte, musste sie überraschend schnell in die Finanzkrise eingreifen. Merkel zeigte eine neue Qualität: Entgegen ihrer sonstigen Taktik fällte sie mit der Bürgschaft für die Sparer rasch eine sehr weitreichende Entscheidung. Offensichtlich überrascht von sich selbst misslang die Kommunikation: So standen die Kanzlerin und ihr Finanzminister nach langer Sitzung zerknittert nebeneinander. Der Auftritt geriet derart verstolpert, dass das Bundespresseamt eine Erklärung nachschob.

Die Finanzkrise verursacht nicht nur ökonomische Erosionen, sie entscheidet auch über Politiker-Karrieren. Gelingt es, das System zu stabilisieren, wird Merkel den Erfolg für sich verbuchen können. Das Management der Krise würde ihr Punkte eintragen und das aktuelle Formtief der Union überstrahlen. Umgekehrt wird sie in der öffentlichen Wahrnehmung auch für ein Anhalten der Krise verantwortlich gemacht. Was dies bedeutet, erlebt gerade der Präsidentschaftskandidat der Republikaner in den USA, John Mc Cain, mit Umfragewerten die wie die Aktienkurse fallen.

(RP)
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