Interview mit Georg Stecker „Ich verstehe nicht, warum Spielhallen im Lockdown sind“

Interview | Düsseldorf · Der Vorstandssprecher des Verbands der Automatenwirtschaft, Georg Stecker, warnt vor einem Anstieg der illegalen Glücksspiele während der Corona-Krise. Den neuen Staatsvertrag zum Glücksspiel hält er hingegen für einen echten Fortschritt.

 Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes, Die Deutsche Automatenwirtschaft (Archivbild).

Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes, Die Deutsche Automatenwirtschaft (Archivbild).

Foto: DAW / Marco Urban/Marco Urban

Herr Stecker, der neue Staatsvertrag zum Glücksspiel erlaubt zum ersten Mal Online-Spiele und Internet-Casino. Haben wir nicht eher zu viele Spielangebote als zu wenig?

Stecker Ich finde es gut und unterstützenswert, dass der neue Staatsvertrag den gesamten Glücksspielmarkt betrachtet und die Lebenswirklichkeit der Menschen anerkennt. Wichtig ist, dass Rechtssicherheit geschaffen wird und Grau- und Schwarzmärkte ausgetrocknet werden. Und für unsere Branche, die Automatenbranche, ist entscheidend, dass mit dem Staatsvertrag ein Einstieg in die Regulierung nach Qualität gelungen ist.

Qualität und Spielhallen, das müssen Sie uns erklären?

Stecker Zunächst einmal ist der Spieltrieb des Menschen etwas ganz Natürliches. Wir bieten ein sensibles Produkt an, richtig. Und je nach Persönlichkeitsstruktur der Konsumenten gibt es da Gefahren für Menschen, die abzurutschen drohen. Aber wir tun ja auch einiges. Wir schulen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wir möchten in jeder Spielhalle ein Zugangssystem, wir fordern eine spielformübergreifende Sperrdatei, die unabhängige Zertifizierung von Spielhallen und die Qualifizierung des Berufszugangs. Und das berücksichtigt der Staatsvertrag zum Teil, und genau das verstehe ich unter qualitativer Regulierung.

Ist denn der Spieler- und Jugendschutz schon ausreichend?

Stecker Unsere Betriebe, die meisten übrigens in Familienbesitz, haben hier schon viel unternommen. Ich wünsche mir, dass der Gesetzgeber das noch besser anerkennt und den Spieler- und Jugendschutz zum Maßstab der Regulierung macht, nicht den Abstand von Spielhallen. Das hilft auch, die schwarzen Schafe aus der Branche zu verbannen.

Was leistet der Spielsucht mehr Vorschub – die stationären Angebote oder das Glücksspiel im Internet?

Stecker Entscheidend ist immer der Mensch, der spielt. Ist er anfällig oder sucht er nur den Zeitvertreib und die Entspannung? In gut geführten Spielhallen gibt es immer ein Umfeld mit geschulten Mitarbeitern, in dem sich der Spieler bewegt. Das Entscheidende ist, dass der Mensch da, wo der Mensch spielt, geschützt wird.

Leiden Sie unter dem gegenwärtigen Lockdown?

Stecker Für unsere mittelständisch geprägte Branche, insbesondere in der Aufstellerschaft, ist das ein schwerer Schlag. Auch die Hersteller der Automaten und der Großhandel sind schwer getroffen. Ich rechne mit Betriebsschließungen.

Wandern dann viele Spieler ins Internet ab?

Stecker In der Lockdown-Phase ist das gut möglich! Und es fragt sich, ob dann nicht auch die illegalen Angebote wieder zunehmen. Die wollte der Staatsvertrag ja austrocknen. Im Übrigen gibt es so gut wie kein Infektionsrisiko in Spielhallen. Auf 150 Quadratmeter stehen höchstens zwölf Automaten, Alkohol wird nicht ausgeschenkt, die Abstandsregeln eingehalten. Ich verstehe nicht, warum man uns in den Lockdown genommen hat.

Der Staat selbst bietet Glücksspiel an und warnt gleichzeitig davor. Ist das Heuchelei für Sie?

Stecker Ich sehe es eher umgekehrt. Wenn selbst der Staat das anbietet, kann es nicht so schlecht sein. Allerdings ist das Spiel in einer staatlichen Spielbank etwas völlig anderes als die Automatenspiele bei uns. Bei uns geht es vor allem um Entspannung und den Spieltrieb bei begrenztem Einsatz, Gewinn und Verlust.

Kann man von außen erkennen, ob sich ein Mensch nur erholt oder süchtig ist?

Stecker Das Personal in Spielhallen spielt eine große Rolle, es wird regelmäßig in Präventionsfragen geschult. Aber noch einmal: Es gibt den Menschen, der völlig ungefährdet ist, und den, der Probleme hat. Und im Gegensatz zu den Spielbanken gibt es in unseren Betrieben, wie gesagt, klare Gewinn- und Verlustgrenzen. Große Gewinne sind hier nicht zu machen. Dafür muss man Lotto spielen oder in die Spielbank gehen.

Statistisch gesehen verlieren die Menschen hier wie dort. Ist das ethisch begründbar?

Stecker Wieso nicht. Wir stellen eine Dienstleistung zur Verfügung für Menschen, die Unterhaltung und Zerstreuung suchen. Damit verdienen unsere Betriebe Geld. Das ist selbstverständlich ethisch vertretbar.

Sie sind also besser als die staatlichen Spielbanken und Lottogesellschaften?

Stecker Das will ich nicht sagen. Bei Lotterien besteht eine große Manipulationsmöglichkeit, weshalb es gut ist, dass hier ein staatliches Monopol besteht. Wir pflegen mit dem staatlichen Spiel ein partnerschaftliches Verhältnis

Sie monieren, dass Spielhallen nur öffnen dürfen, wenn zwischen ihnen ein bestimmter Abstand besteht. Ist das noch das zentrale Problem?

Stecker Leider haben wir da in Deutschland einen Regulierungs-Flickenteppich. In einigen Bundesländern beträgt das Abstandsgebot 100 Meter, in anderen 250 oder 500 Meter. Wir würden uns wünschen, dass allein Qualitätsstandards das Angebot regulieren und nicht die Abstände zwischen Spielhallen. Denn Qualitätsstandards schützen Verbraucher, nicht der Zollstock.

Manche Kommunen befürchten eine Verwahrlosung im Stadtbild, wenn in einer Straße nur noch Spielhalle an Spielhalle steht.

Stecker Wenn manchmal der Eindruck entsteht, dass sich eine Straße im Niedergang befindet, weil zu viele Spielhallen vorhanden sind, liegt das auch daran, dass die Anbieter in der Außengestaltung stark reglementiert sind. Sie müssen die Betriebe uneinsehbar gestalten und dürfen nicht werben. Das führt manchmal zu einem unvorteilhaften Erscheinungsbild. Und in manchen Straßen erhalten die Spielhallen das Leben dort, wenn andere Läden schließen. Eines ist sicher: Legale Angebote unter Einhaltung der Qualitätsstandards sind immer besser, als wenn nur noch in den Hinterzimmern gespielt werden kann. Berlin mit seiner verheerenden Kombination aus Vollzugsdefizit und verfehlter Regulierung der Spielhallen hat die Zahl der illegalen Einrichtungen verzehnfacht. Wollen wir da hin?

Welche Menschen nehmen Ihr Angebot wahr?

Stecker Sie werden sich wundern, den typischen Spieler gibt es nicht. Es ist ein Querschnitt der Bevölkerung, Gutverdienende und Menschen, die eher mit wenig über die Runden kommen müssen, Akademiker, Handwerker, Angestellte, Selbstständige. Bei uns spielen alle. Und: Der Anteil der Frauen nimmt deutlich zu.

Martin Kessler führte das Gespräch.

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