Unabhängigkeitsreferendum wird vorbereitet Wie die Kurden die Krise im Irak für sich nutzen

Erbil · Schon lange ersehnen die Kurden einen eigenen Staat. Aufgrund der Krise im Irak sehen sie jetzt die Chance dafür. Das Parlament der kurdischen Autonomieregion soll nun die Weichen für ein Referendum zur Abspaltung vom Irak stellen. Einfach aber wird das Vorhaben nicht, vor den Kurden stehen eine Menge zu klärende Probleme.

Die wichtigsten politischen Akteure im Irak
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Foto: ap

Es war am Donnerstag, als der Präsident der Autonomieregion, Massud Barsani, das Parlament in Erbil um die Vorbereitung des Referendums bat. "Es würde unsere Position stärken und wäre eine mächtige Waffe in unseren Händen", hinter verschlossenen Türen. Eine Tonaufnahme der Erklärung liegt der Nachrichtenagentur AFP vor. Erst vor zwei Tagen hatte Falah Bakir, der Chef der Außenpolitik in der kurdischen Regionalregierung, erklärt, dass jedwede endgültige Grenzziehung per Referendum erfolgen würde. "Jetzt, da unsere Streitkräfte in diesem Gebiet sind, werden wir eine Volksabstimmung abhalten, um festzustellen, ob die Menschen zu Kurdistan gehören wollen."

Und dazu soll am besten auch Kirku und Umgebung gehören, eine ölreiche Region. Als die Islamisten der Isis in Richtung Bagdad vorrückten, nutzten die Kurden die Gunst der Stunde und brachten die Region unter ihre Kontrolle — offiziell, damit sie nicht in die Hände der Dschihadisten fällt. Um Kirkuk ringen Erbil und Bagdad bereits seit Jahren. "Die irakischen Soldaten und Polizisten sind allesamt geflohen", hatte der Generalsekretär im Ministerium der kurdischen Streitkräfte, Dschabar Yawar Manda vor ein paar Tagen erklärt. Hätte die kurdische Peschmerga das Machtvakkum nicht gefüllt, "dann wären die Terroristen jetzt hier".

Streit über Gebiete und Öl

Fürwahr ist die Regierung von Präsident Nuri al-Maliki zu schwach, um derzeit Gegegnmaßnahmen zu ergreifen. Sie haben alle Hände damit zu tun, es gegen die Isis aufzunehmen, die die große Bedrohung für das Land sind. Dass die Kurden aber diese Krise für sich nutzen, stößt Bagdad auf, zumal die Kurden in den von ihnen besetzten Gebieten anfingen, Grenzwälle zu errichten. Politiker, die al-Maliki nahestehen, sagen, die Kurden nutzten die Krise im Land für ihre eigenen Zwecke aus — um ihren langgehegten Traum von einer größeren Autonomie oder gar eines eigenen Staates zu verwirklichen. Das mögliche Referendum dürfte diese Kritiker nun darin bestätigen.

Der Kurdenkonflikt in der Türkei
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Foto: dpa, n m adp

Beirren werden sich die Kurden davon nicht lassen. Denn von der Regierung in Bagdad fühlen sie sich schon lange vernachlässigt. Immer wieder gab es Streit über Gebiete, um Öl. Lösungen wurden nie gefunden. "Ganz gleich, wer in Bagdad herrscht, wir werden immer unterdrückt, zitiert die Nachrichtenagentur dpa den Studenten Ari aus Erbil. Er spricht aus, was viele empfinden. Unter Saddam Hussein wurden in den 1980er Jahren mehr als 180.000 Kurden getötet, unter al-Maliki wurden sie über die Jahre gegängelt. So kam etwa ein zugesagtes Referendum über die Zukunft Kirkuks nie zustande.

Die drei Nordprovinzen dagegen unterliegen schon seit 1991 weitgehend der kurdischen Regionalregierung. Sie wurden nach dem Sturz Saddam Husseins zusammengeschlossen und zum "Kurdistan des Irak" erklärt. In den vergangenen Jahren entwickelte sich das Gebiet wegen der vergleichsweise guten Sicherheitslage zu einer Boom-Region. Die Wirtschaft wächst, über eine eigene Pipeline können sie ihr Erdöl auch ohne Genehmigung aus Bagdad in die Türkei liefern.

Nachbarländer Türkei und Iran gegen Unabhängigkeit

Isis/IS - Islamischer Staat im Irak und Syrien
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Foto: dpa, sdt moa

Doch die jetzigen politischen Bestrebungen kommen nicht bei allen gut an. So sind die USA und die irakischen Nachbarn Türkei und Iran, zwei Länder mit einer großen kurdischen Minderheit, gehen eine kurdische Unabhängigkeit. Und auch manch anderer sieht Probleme auf die Kurden zukommen, sollte der Plan der Regionalregierung aufgehen.

So dürfte es nicht nur Streit mit Bagdad um Kirkuk geben. Der frühere Berater des irakischen Präsidenten Dschalal Talabani und Analyst, Hiwa Osman, glaubt, dass die derzeitige Euphorie nicht lange anhalten wird. "Eine faktische Verdoppelung der Gebiete und der Bevölkerung bringt viele Probleme mit sich", sagte er der dpa. Politisch, ökonomisch und natürlich in Fragen der Sicherheit.

(das/dpa/AFP)
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