Kritik an Giftspritze USA diskutiert über schmerzfreie Exekutionen

Washington (rpo). In den USA ist eine Debatte über die Vollstreckung von Todesurteilen entbrannt. Hintergrund: Todeskandidaten aus mehreren Bundesstaaten wehren sich gegen ihre geplante Hinrichtung durch eine Giftspritze, da diese Art der Tötung unnötiges Leiden verursache. Amerika diskutiert: Gibt es ein Recht auf eine schmerzfreie Exekution?

Hunderte erweisen hingerichtetem "Tookie" letzte Ehre
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Von Kalifornien bis Louisiana sind Richter in einen Streit zwischen Gefängnisbehörden und Häftlingen verwickelt, die den Tod durch die Giftspritze für qualvoll halten. Auch der Oberste Gerichtshof in Washington ist in dieser Sache gefragt. Ein endgültiges Urteil in den anhängigen Verfahren könnte weit reichende Folgen haben. Denn mit Ausnahme von Nebraska gibt es in allen US-Staaten mit Todesstrafe die Giftinjektion. In Nebraska erfolgen Hinrichtungen ausschließlich auf dem elektrischen Stuhl.

"Jeder Anwalt, der sein Geld wert ist, klagt mittlerweile gegen die Giftspritze", sagt Richard Dieter, Direktor des Death Penalty Information Center. Die Organisation kämpft gegen die Todesstrafe. In den Mittelpunkt der Diskussion rückt zunehmend die Frage nach einer Beteiligung von Ärzten, um zu verhindern, dass die Verurteilten unnötig leiden müssen.

Verstoß gegen Mediziner-Ehrencodex

Der Oberste Gerichtshof blockierte im vergangenen Monat die Vollstreckung eines Todesurteils in Missouri, obwohl die Behörden des Staates versichert hatten, ein Arzt werde die tödliche Giftmischung zusammenstellen und die Injektion bei dem Delinquenten vornehmen. Der Todeskandidat hatte Einspruch eingelegt und erklärt, der Mediziner würde damit den ärztlichen Ehrencodex verletzen.

In Kalifornien wurde im Februar die geplante Hinrichtung eines verurteilten Mörders auf unbestimmte Zeit verschoben, weil zwei Anästhesisten ihre Teilnahme aus ethischen Gründen verweigerten. Ein Bundesrichter hatte zuvor die Anwesenheit eines Narkosearztes bei der Hinrichtung von Michael Angelo Morales verfügt. Der Mediziner sollte bestätigen, dass Morales unter Narkose steht, bevor er die Giftspritze mit dem lähmenden und den Herzschlag stoppenden Mittel erhält. Ein zweiter Anästhesist sollte zur Sicherheit bereitstehen. Beide Ärzte weigerten sich jedoch.

Ein Richter prüft jetzt die Hinrichtungspraxis in Kalifornien. Es könnte Jahre dauern, bis das Prüfungsverfahren abgeschlossen ist. Die Vollstreckung von Todesurteilen bliebe solange ausgesetzt.

Im Staat Louisiana wurde seit 2002 kein Todesurteil mehr vollstreckt. Dort ist eine Klage anhängig, in der es um die Qualifikation des an der Hinrichtung mitwirkenden Personals und um die Giftmischung geht. Auch in New Jersey ist die Vollstreckung von Todesurteilen derzeit ausgesetzt. Die Regierung des Staates im Nordosten der USA wurde von einem Gericht vor zwei Jahren aufgefordert, die Hinrichtungspraxis zu überprüfen.

Obwohl die Hinrichtung mit der Todesspritze in den USA wohl kaum verboten werden dürfte, müssen sich die Justizbehörden in den einzelnen Staaten auf Änderungen der Vollstreckungspraxis einstellen. Allein in 14 Staaten sind entsprechende Klagen anhängig. Neue Anforderungen dürften vor allem an das Vollstreckungspersonal und das verwendete Gift gestellt werden.

Probleme für Justizvollzugsanstalten

Sollten die Gerichte die Beteiligung von Ärzten bei Hinrichtungen fordern, dürfte dies die Justizvollzugsanstalten allerdings vor Probleme stellen: Verbände wie die American Medical Association und andere Ärztegruppen haben sich bereits dagegen verwahrt. Schließlich seien Ärzte von Berufs wegen verpflichtet, Leben zu retten und nicht zu vernichten, betont Jonathan Groner, Dozent an der Fakultät für Medizin und öffentliche Gesundheit der Staatsuniversität von Ohio.

Die Hinrichtung mit der Todesspritze wird in den USA als humaner angesehen als der Tod in der Gaskammer, auf dem elektrischen Stuhl, am Galgen oder durch Erschießen. Der Oberste Gerichtshof hat sich bisher nur mit einem verfahrensrechtlichen Teilaspekt befasst. Die Richter könnten jedoch beschließen, sich auch grundsätzlich mit dem Vorwurf von Gegnern der Todesstrafe auseinander zu setzen, wonach der in den meisten Staaten verwendete Giftcocktail in einem solchen Maße Qualen verursacht, dass von einer ungewöhnlich grausamen Todesart gesprochen werden muss.

Die Befürworter der Todesstrafe lassen dieses Argument nicht gelten. Nach ihrem Verständnis haben verurteilte Mörder kein verfassungsmäßiges Recht auf eine schmerzlose Hinrichtung. Sie setzen darauf, dass die Verfassungsrichter sich nicht gegen die Todesspritze aussprechen werden. Schließlich hat das höchste Gericht der USA den Einzelstaaten noch nie vorgeschrieben, wie sie die Todesstrafe vollstrecken sollen.

(ap)
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