Helsinki-Gruppe gerät unter Druck Putin schwächt Menschenrechtler

Moskau · Die bekannte russische Menschenrechtlerin Ljudmila Aleksejewa nahm kein Blatt vor den Mund: " Ich würde mich fühlen, als säße ich bis zu den Ohren im Dreck. Was soll ich in diesem Rat?" So begründete die Chefin der Helsinki-Gruppe, warum sie ihr Mandat im Rat für Menschenrechte des russischen Präsidenten niederlegt. Wladimir Putin, seit sechs Wochen wieder russisches Staatsoberhaupt, will sich das unbequeme Gremium durch eine Änderung der Berufungsordnung neu zurechtschneidern.

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Aus Protest dagegen gaben in dieser Woche noch zwei weitere Menschenrechtler ihr Mandat zurück. Insgesamt sind in den vergangenen Monaten 16 von 40 Mitgliedern ausgeschieden. Sie wollen nicht mit Putin zusammenarbeiten. Unter dessen Vorgänger Dmitri Medwedew hatte der Rat zumindest Gehör beim Präsidenten. Er konnte einiges durchsetzen, etwa die Verbesserung der Rechte für Kinder.

Putins stellvertretender Administrationschef Wjatscheslaw Woloschin hat nun ein neues Auswahlverfahren für den Rat für Menschenrechte ersonnen. Wie der Ratspräsident Michail Fedotow bekannt gab, sollen die freigewordenen Plätze "mit einer offeneren Methode" neu besetzt werden.

Jede Organisation, die sich als Teil der Gesellschaft empfinde, könne sich um einen Sitz bewerben — auch ein Kleingärtnerverein. Nach einer Internetabstimmung werde man eine Liste der 39 populärsten Kandidaten zusammenstellen. Aus dieser Gruppe werde Putin dann die neuen Mitglieder bestimmen. Bislang hatten die bestehenden Ratsmitglieder selbst die Kandidaten vorgeschlagen; die Auswahl oblag dann dem Präsidenten.

Was nach mehr Offenheit klingen soll, ist aus Sicht der Menschenrechtler eine Methode, das Gremium handzahm zu machen. Ljudmila Aleksejewa etwa kritisierte, nun könnten auch Bienenzüchter oder die Veteranen-Organisation des Geheimdienstes KGB ihre Vertreter entsenden.

"Ich habe mir vorgestellt, wie ich da im Kreise vollkommen fremder Leute sitze, die nicht an der Achtung der Menschenrechte und der Entwicklung der Bürgergesellschaft interessiert sind, sondern genau diese unterdrücken wollen", sagte die 85-Jährige. Der Rat für Menschenrechte habe sich in den vergangenen Jahren eine hohe gesellschaftliche Achtung erworben und sei gehört worden. Das sei der Obrigkeit offenbar jetzt zu gefährlich worden.

(RP/csi)
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