Abzug der Nato vom Hindukusch Osamas Tod befeuert Streit um Afghanistan

Brüssel (RPO). Rasch gab die Nato zu verstehen, dass der Tod Osama bin Ladens nichts am Einsatz in Afghanistan ändern wird. Jenes Einsatzes, der als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 gilt, als deren Drahtzieher und Galionsfigur der Al-Qaida-Chef galt. Auch wenn weiterhin eine Mehrheit der Nato-Mitglieder hinter dem Einsatz steht, wird die Diskussion um einen baldigen Abzug mehr Auftrieb denn je bekommen.

Merkel besucht Soldaten in Afghanistan
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Schon seit Langem diskutieren die beteiligten Länder darüber, wann Schluss ist mit dem Einsatz in Afghanistan — auch in Deutschland. Nach und nach soll das Kommando nun an die Einsatzkräfte vor Ort abgegeben werden. Bis 2014 soll dieser Schritt abgeschlossen sein. Ein Ende der Mission ist dennoch lange nicht in Sicht.

140.000 Soldaten hat die Nato-Truppe Isaf noch am Hindukusch stationiert, 4800 kommen von der Bundeswehr. Und allmählich ziehen sich auch einige Verbündete zurück. Die Niederlande hat im vergangenen Jahr ihre Kampftruppen abgezogen, Kanada und Polen stehen vor diesem Schritt.

Die aktuelle Lage allerdings ändere nichts an dem vorgesehenen Zeitplan, betonen Politiker und Verantwortliche vehement. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte: "Die Nato-Verbündeten und ihre Partner werden den Einsatz fortsetzen, um sicherzustellen, dass Afghanistan nie wieder ein sicherer Zufluchtsort für Extremismus wird." Und auch der Bundeswehrverbandschef erklärte am Morgen im ZDF-"Morgenmagazin": "Ich meine, der Auftrag kann damit nicht erfüllt sein."

Abneigung nimmt zu

Doch die Abneigung gegen den Einsatz in Afghanistan wird nicht nur in den USA größer, zumal die internationalen Truppen immer mehr Opfer zu beklagen haben. Somit wird der Tod bin Ladens die Diskussion um einen schnelleren Rückzug wieder aufleben lassen.

"Der Ausgangspunkt für die Intervention in Afghanistan war bin Laden", erinnert auch Francois Heisbourg von der Pariser Stiftung für strategische Forschung. "Mit seinem Tod wird es immer schwerer, diese Truppenpräsenz zu rechtfertigen, unabhängig von der Lage vor Ort." Besonders in Europa werde von den Bevölkerungen beständig ein Abzug der Soldaten gefordert, das werde sich jetzt verstärken.

Der Tod bin Ladens, so Heisbourg, "ändere auf jeden Fall die Gesamtlage". "Wenn nach einer Möglichkeit für den Abzug gesucht wird, dann jetzt oder nie." Genauso sehen es auch Oppositionspolitiker wie etwa der grüne Hans-Christian Ströbele, der den Tod bin Ladens als Schlusspunkt für den Einsatz sieht, da das Ziel des Einsatzes gewesen sei, "die Verantwortlichen für die Anschläge vom 11. September 2001 zur Strecke zu bringen".

Karsai: Krieg an Ursprungsorten führen

Auf der anderen Seite aber hat gerade der Tod bin Ladens gezeigt, dass er zwar eine Symbolfigur für Al Qaida war, aber die Terrororganisation wohl nicht beträchtlich geschwächt ist und ihren Kampf weiter fortsetzen wird. Doch sie ist eben nicht nur in Afghanistan tätig, sondern eben auch in Pakistan. Was wiederum die Kritiker des Einsatzes dazu bewegen wird zu betonen, dass ein Einsatz allein in Afghanistan nicht zu rechtfertigen sei.

So sagte auch Afghanistans Präsident Hamid Karsai: "Der Krieg gegen den Terrorismus muss an seinen Ursprungsorten geführt werden, gegen seine Finanzquellen, seine Verstecke, seine Trainingslager - nicht in Afghanistan."

In Afghanistan aber ist der Terror nach wie vor an der Tagesordnung. Fast täglich sterben Menschen bei Selbstmordanschlägen. Die internationale Mission ist inzwischen zu einem Kampf gegen die Taliban geworden, die die Macht zurückerlangen wollen. Auch hat die Regierung unter Karsai noch lange nicht die Stabilität gewonnen, die das Land so dringend braucht.

Nach Ansicht der Sicherheitspolitikexpertin Constanze Stelzenmüller sind Befürchtungen um einen vorzeitigen Abzug der Truppen unbegründet. "Ich denke nicht, dass es für die europäische Öffentlichkeit bei dem Afghanistan-Einsatz darum geht, bin Laden zu finden."

Die Politikwissenschaftlerin vom German Marshall Fund of the United States erwartet daher auch keine Folgen des Todes von Bin Laden für eine Abzugsdebatte: "Dafür hat er schon eine ganze Weile keine zentrale Rolle mehr gespielt." Und eine Abzugsperspektive, die gibt es ja immerhin bereits.

(das/csi)
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