Köln Römerschiff in U-Bahn-Schacht geborgen

Köln (RP). Einen wahren Schatz haben Wissenschaftler bei den Arbeiten für die Kölner U-Bahn geborgen. Zwölf Meter unter der Erde entdeckten sie das Wrack eines römisches Lastkahns aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Möglicherweise ist es sogar das älteste Schiff Mitteleuropas.

 Archäologen säubern die Planken des Schiffswracks.

Archäologen säubern die Planken des Schiffswracks.

Foto: ddp, ddp

Professor Hansgerd Hellenkemper scheut sich, das Wort Sensation in den Mund zu nehmen. Und doch kann der Leiter der Kölner Bodendenkmalpflege und Direktor des Römisch-Germanischen Museums seine freudige Erregung nur mit Mühe verbergen, als er Einzelheiten zum Fund eines Schiffswracks aus römischer Zeit preisgibt. Bei den Ausgrabungen für eine unterirdische Trasse der U-Bahn entdeckten die Archäologen fast zwölf Meter unter der Erde Teile eines Schwerlastschiffes.

Sie haben das etwa zwei Meter lange Teilstück in den vergangenen Tagen mühsam aus dem Boden herausgepult. Nur mit den Händen. Immer wieder spülten sie mit Wasser den feinen Sand aus den Poren. Dann lagen die acht Quadratmeter Holz frei. Der Fundort befindet sich an der Rückseite des Historischen Rathauses am Alter Markt in der Innenstadt. Der Kölner U-Bahn-Bau werde durch den aktuellen Schiffsfund nicht behindert, versicherte Projektleiter Rolf Pabst.

Noch bemühen sich die Wissenschaftler um die exakte Datierung der Planken aus Eichenholz. Erste Anhaltspunkte weisen darauf hin, dass das so genannte Plattbodenschiff im 1. Jahrhundert nach Christus im Einsatz war. "Auf dem Schiff haben wir Glasscherben sichern können, die wir ins Jahr 50 bis 100 nach Christus datieren", sagte Dr. Constanze Höpken, Keramik- und Glasexpertin des Römisch-Germanischen Museums. Ein kleines Holzstück wird im Labor für Dendro-Chronologie des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln untersucht.

Dem Team um Dr. Burghart Schmidt ist es bereits gelungen, das Keimjahr und den Standort der als Baustoff benutzten Eiche zu bestimmen. Demnach hat der Baum im Jahr 142 vor Christus womöglich im Oberbergischen gestanden, erläuterte Hellenkemper. Dies lasse die Vermutung zu, dass das Schiff sogar in Köln gebaut worden ist. "Es besteht die berechtigte Chance, dass wir Teile des vielleicht ältesten Schiffes in Mitteleuropa gefunden haben", sagte Kölns oberster Bodendenkmalpfleger.

Schiff transportierte Holz und Tiere

Das Wrackteil des vermutlich mindestens 23 Meter langen Transportschiffes liegt auf dem Boden des ehemaligen römischen Hafens. Die längs geschichteten dünnen Planken sind teilweise 60 Zentimeter lang. Erhalten sind der flache Schiffsquerschnitt mit 3,50 Metern Breite und Ansätze der beiden steilen Bordwände.

Die Römer benutzten die großen Plattbodenschiffe, die die Bezeichnung "Prahm" trugen, zum Transport von Steinen, Holz und lebenden Tieren. "Es steht fest, dass die Schiffe zur Versorgung der Großstädte innerhalb des Reiches eingesetzt wurden", sagte Hellenkemper. Ehe das Schiffsfragment geborgen werden kann, wird noch einige Zeit vergehen. Das Fundstück muss ständig feucht gehalten werden, damit es nicht bricht. Um es möglichst unversehrt heben zu können, wurde das weiche Holz schon in vier Teile geteilt. Schwierig wird die Bergung dennoch. Denn Mikroorganismen haben die mit Eisennägeln zusammengehaltenen Planken und Spanten (tragende Bauteile zur Verstärkung des Rumpfes) des Schiffes in den vergangenen Jahrhunderten zersetzt.

Restaurierung in Mainz wird Jahre dauern

Restauriert werden soll das Wrack im Museum für antike Schifffahrt des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz. Dort zuckt man womöglich schon zusammen, wenn ein Anruf aus Köln kommt. Die Fundstücke verstopfen langsam, aber sicher die Restaurierungswerkstätten. Denn ein gewaltiger Kai aus Eichenbalken, gefunden am Kurt-Hackenberg-Platz in Köln, lagert auch schon in Mainz. Da die Holzkonservierung sehr aufwändig ist, rechnet Hellenkemper nicht vor 2010/11 mit der Rückkehr des Schiffsteils.

Um ein Haar wäre auf die Mainzer Wissenschaftler noch mehr Arbeit zugekommen. Eine zur Sicherung der Baugrube in die Erde gerammte Betonwand hat das Schiffsteil nämlich zerschlagen. So sind sich die Archäologen sicher, dass jenseits dieser Betonwand noch weitere Fragmente lagern. "Die heben wir womöglich im Jahr 2008", kündigte Hellenkemper an.

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