Diva feiert 70. Geburtstag Senta Berger: Querkopf mit Charme

Düsseldorf (RP). Sie gehört zu den wenigen deutschen Darstellern, die in Hollywood Karriere gemacht haben. Doch Senta Berger kam zurück, arbeitete mit namhaften Regisseuren wie Wim Wenders und übernahm populäre TV-Rollen etwa in "Kir Royal". Am Freitag wird sie 70 Jahre alt.

Senta Berger - die bodenständige Diva
14 Bilder

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Sie war die tüchtige Taxi-Gerdi und die muntere Bussi-Moni an der Seite des Kir-Royal-Verkosters Baby Schimmerlos. Solche Fernsehrollen haben Senta Berger populär gemacht. Und es ist tatsächlich nicht leicht, Frauenfiguren diesen Typs so frisch, direkt, wie aus dem Leben gegriffen zu spielen, wie Senta Berger das kann. Ohne Klischeestarre, ohne Sozialschmalz, aber mit Wahrheit.

Vielleicht kann sie in solchen Rollen aus der Vergangenheit schöpfen, aus ihrer Kindheit im Wiener Stadtteil Lainz, der Gegend, wo die kleinen Leute wohnten. Der Vater war Handwerker, hatte allerdings Ambitionen als Wiener-Lieder-Komponist. So einer gönnt dem Kind die musische Erziehung und impft ihm gleich den nötigen Ehrgeiz ein. Senta Berger durfte jedenfalls früh Ballettunterricht nehmen, lernte Klavier spielen, zeichnen, war den Eltern ein Wunderkind.

Kunst als Weg aus der Enge

Das führt in der Pubertät zu Rebellion. Auch Senta Berger hat irgendwann all die wohlmeinenden Förderkurse einfach abgebrochen. Doch sie hatte verstanden, dass Kunst ihr den Weg aus der Enge weisen würde. Mit 16 versuchte sie es am Wiener Max-Reinhardt-Seminar und wurde gleich aufgenommen. Ein Jahr später spielte sie die erste kleine Filmrolle — und flog sofort aus dem Seminar; solche Eigenmächtigkeiten waren verboten.

Bergers Karriere konnte das schon nichts mehr anhaben. Sie war schön — auf eine extravagante Art mit ihrem wilden roten Haar, dem herausfordernden Blick, ihrer Figur. Und klug war sie dazu. Dass so eine Frau Großes vor sich haben würde, verstand ein Theaterfilou wie Hans Moser sofort. Wenn Autogrammjäger nach den Dreharbeiten zur "Lindenwirtin vom Donaustrand" hinter dem Studio warteten, schickte er sie zu der jungen Kollegin: "Holt's euch amal a Autogramm von der Kleinen da drüben. Des könnt's später tauschen. Nämlich, aus der wird was."

Aus der wurde sogar in Hollywood was. Richard Widmark engagierte sie von der Wiener Straße weg für seinen Agententhriller "Secret Ways". Bis 1969 arbeitete Berger fast ausschließlich in Hollywood, drehte mit Kirk Douglas, Yul Brynner, Charlton Heston, wurde dann auch in Italien und Frankreich engagiert, trat dort mit Größen wie Alain Delon und Marcello Mastroianni vor die Kamera.

Im groben Zwirn

Doch sie ging zurück nach Deutschland. Senta Berger hatte sich verliebt und wollte ihren späteren Mann, den Arzt und Regisseur Michael Verhoeven, nicht nur bei Stippvisiten aus Hollywood sehen. Außerdem hatten die USA-Erfahrungen sie skeptisch gemacht. Obwohl sie dort verwöhnt wurde, habe sie sich ihren Realismus bewahrt, erzählte sie kürzlich: "Ich wusste genau: Die können mich morgens mit der Ziehharmonikalimousine abholen, aber der Film wird dadurch nicht besser."

Zurück in Deutschland spielte Berger auch wieder Theater. Aufsehen erregte etwa ihre "Buhlschaft" im "Jedermann". Von 1974 bis 1982 gab sie die große Lebenslust-Verführerin bei den Salzburger Festspielen. Und sie drehte mit großen deutschen Regisseuren. Wim Wenders etwa setzte sie in "Der scharlachrote Buchstabe" als stolze Geächtete eines Dorfes Ende des 17. Jahrhunderts in Szene.

Wie Berger da im groben Zwirn der ersten Siedler vor dem Tribunal ihres Dorfes steht, erhobenen Hauptes, die vollen Lippen leicht geöffnet, der Blick demütig und abschätzig zugleich, das ist atemberaubend. Jeder Regung dieser Schauspielerin ist da anzumerken, dass sie weiß, wie schön sie ist. Doch hat es Berger eben nie beim Schönsein belassen, sondern ihre Rollen stets mit einer besonderen Wachheit gespielt.

Geistreich, belesen und anspruchsvoll

Auch Volker Schlöndorff wollte sie vor der Kamera haben. Er inszenierte die Berger in "Die Moral der Ruth Halbfass" als gelangweilte Industriellengattin in eleganten Kleidern mit Goldbrosche am tiefen Dekolletee. Auch diese Rolle stand ihr nicht nur gut, Senta Berger zeigte eine selbstbewusste, anspruchsvolle Frau, die ihrem Gatten wie ihrem Liebhaber überlegen ist und sich am Ende aus purer Berechnung in ihr Schicksal fügt.

Es braucht Stil und Intelligenz, um solche Rollen zu spielen. Senta Berger ist geistreich, belesen und anspruchsvoll genug, um etwa den Niveauverlust im deutschen Fernsehen zu beklagen. Auch politisch hat sie sich immer wieder zu Wort gemeldet. 1972 unterstützte sie Willy Brandt im Wahlkampf, setzte sich für Abrüstung, Umweltschutz, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und gegen eine Verschärfung des Asylrechts ein.

Auch künstlerisch gab sie sich nicht mit der Darsteller-Rolle zufrieden. Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie 1965 die Produktionsfirma Sentana, brachte, oft unter hohem finanziellen Risiko, wichtige Filme wie Verhoevens Vietnam-Drama "o.k." heraus, das bei der Berlinale 1970 für einen Eklat sorgte.

Seit 44 Jahren sind Senta Berger und Michael Verhoeven verheiratet. "Wir sind sehr verschieden und beide sicher auch schwierig, jeder auf seine Art. Aber wir wissen, dass wir zusammengehören", hat Senta Berger mal gesagt. Das ist schlicht und zeugt zugleich von dieser Selbstgewissheit, die man ihr auch in ihren Rollen stets anzusehen meint.

Bezaubernder Trotz

Auch heute noch. Gerade erst war sie in dem Drama "Satte Farben vor Schwarz" zu erleben. Ein brisanter Film, in dem ein älteres Ehepaar den gemeinsamen Freitod wählt, als der Mann eine Krebsdiagnose erhält. Weil sie das Thema wichtig findet, hat Senta Berger diese Rolle übernommen und spielt sie mit großer Eleganz und Tiefe. Wie sie sich mit Filmpartner Bruno Ganz ein letztes Mal ankleidet, so still und stolz und voller Würde den letzten Weg antritt, das brennt sich ein ins Filmgedächtnis.

Senta Berger hat den Mut und den Stolz zur Eigenwilligkeit. Ob sie nun die tüchtige Taxi-Gerdi gibt, sich im Wilden Westen gegen bigotte Siedler behauptet oder an der Seite von Bruno Ganz radikal für die Selbstbestimmung im Alter eintritt — ihr Trotz war und ist bezaubernd.

"Luxus ist, einen Garten zu haben, in den niemand reingucken kann", hat Senta Berger einmal gesagt. Vielleicht wird sie ihren 70. dort feiern.

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