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Zwei Frauenärztinnen vor Gericht Verteidigung wirft Richter im Abtreibungsprozess Befangenheit vor

Kassel · Zwei Frauenärztinnen werden beschuldigt, für Schwangerschaftsabbrüche geworben zu haben. In dem Prozess hat die Verteidigung nun einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt.

 Natascha Nicklaus (l) und Nora Szász, Frauenärztinnen,  müssen sich vor Gericht verantworten.

Natascha Nicklaus (l) und Nora Szász, Frauenärztinnen, müssen sich vor Gericht verantworten.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Der Prozess gegen zwei Frauenärztinnen aus Kassel wegen des Verdachts verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist vorerst ohne Ergebnis unterbrochen worden. Die Gynäkologin Nora Szász stellte gegen den Vorsitzenden Richter des Amtsgerichts Kassel am Mittwoch einen Befangenheitsantrag. Es fehle das Vertrauen, dass rechtsstaatlich verhandelt werde, sagte sie. Die Verteidigung warf dem Richter mangelndes Aufklärungsinteresse vor. Auslöser war ein Antrag der Verteidigung gewesen, einen Sachverständigen zu den Folgen der Restriktion von Abtreibung zu hören. Der Richter hatte das wiederholt abgelehnt.

Szász und ihre Kollegin Natascha Nicklaus hatten auf der Internetseite ihrer Kasseler Praxis über angebotene Leistungen informiert, darunter auch Schwangerschaftsabbruch. Abtreibungsgegner hatten die Frauen daraufhin angezeigt wegen Verstoßes gegen den Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs. Dieser verbietet die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche.

Der Sachverständige sollte unter anderem zur Wirkungslosigkeit des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch, der Werbung für Abtreibung verbietet sowie zu gesetzlichen Regelungen zur Abtreibung in Europa befragt werden. Die Staatsanwaltschaft und der Vorsitzende Richter sahen hierin allerdings keinen Beweisantrag im Sinne der Strafprozessordnung und lehnten eine Anhörung ab. Der Sachverständige könne sich nur zu gesellschaftspolitischen Vorfragen äußern.

In seinem Eingangsplädoyer hatte die Verteidigung den Paragrafen 219a als verfassungswidrig kritisiert. Er verletzte die Berufsfreiheit, die Informationsfreiheit, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und verstoße zudem gegen die Gleichberechtigung. Die Kriminalisierung einer schlichten Information, wie sie sich auf der Internetseite der beiden Ärztinnen finde, sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit.

Die Ärztinnen gaben in ihrer Befragung durch den Richter an, pro Jahr elf bis 15 Abtreibungen vorzunehmen. Diese kosteten, je nachdem ob es sich um Kassen- oder Privatpatientinnen handele, zwischen 120 und 220 Euro. Der jährliche Nettogewinn belaufe sich somit auf einen Betrag zwischen 600 und 1.650 Euro. „Die Betreuung einer Schwangerschaft bis zur Geburt ist wirtschaftlich viel attraktiver“, sagte die Ärztin Nora Szasz.

Der von zahlreichen Unterbrechungen gezeichnete Prozess hatte ein hohes Publikumsinteresse hervorgerufen, der Gerichtssaal war voll besetzt. Unter den Besuchern befand sich auch die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die im November 2017 wegen eines ähnlichen Verstoßes gegen den Paragrafen 219a zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten zahlreiche Menschen ihre Solidarität mit den beiden Ärztinnen.

Der beanstandete Eintrag unter der Rubrik „Ambulante Operationen“ auf der Seite der Ärztinnen lautet: „Schwangerschaftsabbruch, operativ oder medikamentös mit Mifegyne“. Der Strafrechtsparagraf 219a verbietet die Werbung für Abtreibungen aus wirtschaftlichem Eigeninteresse. Eine Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel aufgrund dieses Paragrafen hatte eine bundesweite Debatte ausgelöst.

Abtreibungen sind in Deutschland illegal, aber straffrei. Als rechtlich zulässig gelten sie nur, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist sowie nach einer Vergewaltigung.

(ubg/epd/dpa)
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